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Elsa Weiland
Foto: Vincent Stange

„Der Kreativität werden keine Grenzen gesetzt“

20. März 2020

Elsa Weiland und Fee Zweipfennig über eine theaterlose Zeit – Interview 03/20

choices: Im April sollte an der Studiobühne eure Premiere zu „Walden“ stattfinden... was hat sich durch das Coronavirus diesbezüglich geändert?

Elsa Weiland: Unsere Premiere wird leider nicht im April stattfinden können und muss verschoben werden. Dies liegt zum einen daran, dass alle öffentlichen Veranstaltungen untersagt sind, aber auch daran, dass die studiobühne den Probenbetrieb einstellen muss. Deshalb haben wir unsere Proben ab sofort eingestellt. Unser Stück „Walden“ wird aber in jedem Fall zu Ende produziert und gezeigt werden, wann genau, lässt sich im Moment noch nicht sagen. Auch war die Entscheidung, die Premiere zu verschieben, eine Frage der Solidarität: Wir wollen helfen, die Kurve so weit wie möglich abzuflachen und zu Hause bleiben. Schon mit unserem zweiten gemeinsamen Stück vor so große Herausforderungen zu treten, damit hat wohl keiner von uns gerechnet.

Fee Zweipfennig: Unsere Arbeitsweise hat sich geändert. Alles verschiebt sich auf einen ungewissen Zeitpunkt, aber das heißt für uns nicht, dass wir aufhören zu arbeiten, sondern eher das Gegenteil: Wir entwickeln ein Konzept, wie wir virtuell proben können und vertiefen unser Stück bis zu dem Moment, an dem es aufgeführt werden kann.

Vor welche Herausforderungen stellt euch als junges Kollektiv das Virus generell?

EW: Die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, zeigen sich gerade vor allem in der Schwierigkeit zu planen, wie es nun weiter geht: Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt weder, wann unsere Premiere stattfinden wird, noch, wann und wie viel wir proben können, oder wie wir mit unseren Kollektiv-Mitgliedern und deren Jahresplanung zusammenkommen werden und was Corona auf unsere anderen Jobs für Auswirkungen hat. Aber ich denke, in dieser Situation befinden sich gerade sehr viele Menschen. Da wir noch am Beginn unserer Laufbahn stehen, haben wir noch kein großes Sicherheits- und Kontaktnetz in der Theaterszene. Wir hoffen sehr, dass unser Weg im Theater durch Corona keine schlechten Auswirkungen hat.

FZ: Wir möchten ein Stück spielen, an das wir fest glauben: Wir denken jetzt um, wie in einem künstlerischen Prozess, wie wir das ohne Raum und Zeit anstellen – denn beides ist im Moment eingefroren. Vielleicht eine Krise, vielleicht eine Möglichkeit? Das Weitermachen ohne Deadline gibt uns eine Gelegenheit, die Dinge zu vertiefen. Vielleicht wird das Stück dadurch noch besser.

Welche Hilfsmaßnahmen wünscht ihr euch?

EW: Wir wünschen uns, dass die prekäre Situation von Theaterschaffenden, aber natürlich allen Kulturschaffenden und Selbstständigen von der Politik gesehen wird und möglichst schnell gehandelt wird. Da oft kaum private Rücklagen existieren, werden die zahlreichen ausfallenden Jobs sehr schnell existenzbedrohend. Die finanzielle Hilfe muss folglich sehr schnell und unbürokratisch erfolgen und nicht nur die tatsächlich abgesagten Engagements, sondern auch diejenigen, die in Zukunft stattgefunden hätten und für die es noch keine Verträge gab, inkludieren. Eine Grundsicherung bzw. ein bedingungsloses Grundeinkommen, das schon seit einiger Zeit im Gespräch ist, kann in dieser Situation sehr sinnvoll sein. Auch wenn alle abgesagten Kulturveranstaltung nicht in vollem Umfang nachgeholt werden können, wünschen wir uns nach Beendigung der aktuellen Maßnahmen natürlich große Unterstützung bei allen Veranstaltungen und Massen an Publikum, die sich darüber freuen, wieder ins Theater gehen zu können. Für uns als junges Kollektiv wünschen wir uns natürlich, dass Nachwuchsprogramme auch in Zeiten von Corona weiter ausgebaut werden.

FZ: Geduld – für alle, die sich auf die neue Aufführung gefreut haben. In der üben wir uns jetzt auch. Der direkte Kontakt mit dem Publikum ist Teil der Leidenschaft.

Welche Möglichkeiten bestehen für euch, trotzdem weiter an dem Stück zu proben?


Krux-Kollektiv, Foto: Krux-Kollektiv

Wie kann jeder einzelne dazu beitragen, Kulturschaffenden in dieser Zeit zu unterstützen?

EW: Ganz akut lässt sich sagen: Wenn Tickets für ausgefallene Veranstaltungen bereits bezahlt wurden, würde es helfen, das Geld nicht wieder zurückzufordern, sondern den KünstlerInnen zu überlassen. So kann der Verlust solidarischer geteilt werden. Ich denke, dass nun ein großes Potential darin liegt, neue Formate über das Internet zu entwickeln. Wenn ZuschauerInnen diese in Anspruch nehmen und auch bereit sind dafür zu zahlen und zu spenden, können KünstlerInnen auch so unterstützt werden. Zusätzlich hilft es Petitionen zu unterschreiben, bei Spendenaufrufen mitzumachen und Solidaritätsaktionen zu unterstützen. Wenn nicht nur die KünstlerInnen, sondern alle KulturgängerInnen helfen, der Politik die aktuelle Notlage zu verdeutlich und klar machen, dass Kultur kein Luxusprodukt ist, ist ein großer Schritt getan.

FZ: Und Petitionen sind schneller unterschrieben als der Check einer Instagram Story. So schnell kann man einen Akt der Güte leisten, der so viel bewirkt.

EW: Wir haben mit dem Kollektiv regelmäßige Skype-Termine ausgemacht und beratschlagen darüber, wie wir ohne die Möglichkeit, uns zu sehen, trotzdem in Maßen weiterarbeiten können. Da ist natürlich gerade viel Kreativität gefragt. Konzeptionstreffen lassen sich gut übers Telefon abhalten, die inhaltliche Auseinandersetzung kann also weitergehen. Auch kann die Musik von zu Hause aus komponiert werden, Requisiten und Kostüme können finalisiert werden. Szenische Proben lassen sich natürlich nur bedingt virtuell proben. Wir wollen auf jeden Fall daran arbeiten, neue Formate und Probenweisen zu entwickeln, sodass wir im Austausch und im Arbeitsprozess bleiben können. Es liegt auch ein Potential in dieser Krise, Dinge von Grund auf neu zu denken.

FZ: Einer unserer Videodesigner ist in Norwegen in Quarantäne, weil er aus Deutschland kam, und arbeitet von dort aus mit uns weiter, bis er zurück kann. Elsa und ich entwickeln im Moment eine Online-Proben-Struktur, das heißt, ich werde Szenen über Video anbieten. Sie überlegt sich Aufgaben und Inszenierungsideen. Und manches proben wir live gemeinsam vor der Kamera.

Wie schaffen wir es, Theater weiterhin miteinander zu teilen, trotz der Sperre von Veranstaltungen?

EW: Viele Theater veröffentlichen im Moment ihre Repertoire-Stücke online, sodass man die Inszenierungen zu Hause auf dem Sofa schauen kann. Das ist natürlich eine tolle Möglichkeit, das Theater so weiterleben zu lassen. Trotzdem bleibt das Theater eine Kunst, die von der physischen Anwesenheit der AkteurInnen und der ZuschauerInnen und vom Moment des Entstehens, der Veränderbarkeit lebt. Die gezeigten Stücke wurden nicht als Film, sondern als Live-Stück produziert. Wenn aber weiter an neuen Formaten gearbeitet wird, könnte es bald evtuell ja auch nicht nur ein Ein-Personen-Stück, sondern auch ein Ein-ZuschauerInenn-Stück geben. Der Kreativität werden hier keine Grenzen gesetzt.

FZ: Viele KünstlerInnen machen großzügige Angebote, indem sie ihre Stücke kostenlos hochzuladen. Die Unterstützung hierfür bekommen solche von jenen, für die sie diese Welten erschaffen wollen. Welten, die Werte vermitteln, die uns ebenso in besonderen Situationen inspirieren, zusammenzuhalten, weiter und tiefer zu denken, und immer nach vorne zu sehen.

Open Petition: „Hilfen für Freiberufler und Künstler während des Corona-Shutdown“

Ein Interview zu „Walden“ erscheint in der April-Ausgabe von choices.

Interview: Viktoria Lohner

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