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Paula Scherf in „Die Ecke“
Foto: Emil Lehnert

Der Tanz der Krähe

19. Dezember 2025

„Die Ecke“ in der Alten Wursterei – Auftritt 01/26

Steil hochragende Himmelszelte und strenge irdische Winkel bestimmen die Landschaft im neuen Kinderstück des Disdance Projects. „Die Ecke“ (nach dem 2021 erschienenen Bilderbuch der südkoreanischen Autorin ZO-O) befasst sich in der außerordentlich gemütlichen Alten Wursterei in Ehrenfeld mit „Wohlfühlorten“. Doch mit der Inszenierung gelingt dem Kollektiv um Choreografin, Tänzerin und Schauspielerin Paula Scherf und Regisseur André Lehnert gerade an den Herbst- und Wintertagen eine Steigerung zum „Supersauwohlfühlort“.

Was vor Ort in gerade einmal 50 Minuten mit einfühlsamer Körpersprache, auf- und absteigenden Lichtkaskaden, variantenreicher Musik und Videoanimationen gelingt, ist eine stilistische Meisterleistung – so kompakt und mitreißend erzählen die Theatermacher:innen die Geschichte einer verwunderten Krähe, die aus ihrem Nest in einer unscheinbaren Ecke in die Welt hinausblickt. Diesen durchaus bewohnbaren Ort gilt es, zu erleuchten. Doch dafür braucht es die Hilfe des Publikums. Im Vorfeld der Premiere waren Schulklassen aus ganz Köln zur Beantwortung elementarer Fragen gebeten worden: „Was brauche ich, um glücklich zu sein?“, „Was hilft mir, wenn ich traurig oder alleine bin?, „Wie fühlt sich Geborgenheit an?“, „Wie klingt Freude?“ oder „Was macht einen Ort zu meinem Ort?“ Darüber hinaus konnten sich die Kinder auch zeichnerisch betätigen. Den Theaterraum füllen letztlich unterschiedlichste Gegenstände. Farben und Radiostationen werden gewechselt. Neues wird entdeckt, Altes verworfen. Das Konzept wird für zukünftige Darbietungen fortgesetzt und bietet den Kindern eine Plattform für Ausdruck.

Bestehen bleibt zudem die durchgehende Veränderung des Schauspiels. Die Metamorphose des bodenständigen Menschen zum Rabenvogel gelingt Scherf hervorragend: Die Flügelspanne der Gemütszustände jenes auch in der Literatur legendären Wesens reicht bei ihr von hochkonzentrierter Beobachtung, temporären Rückzügen über entschiedene Aktion bis hin zu völlig losgelöster Verspieltheit. Synchron mit den digitalen Effekten schreitet, springt, ruht, liest, fliegt die Darstellerin durch eine Geschichte, die gänzlich ohne Gesprochenes erklingt, aber mit einem universellen Wörterbuch voller Lachen, Neugier, erheiternden Unverschämtheiten, ein wenig Melancholie und grenzenloser Unbekümmertheit ausgestattet ist. So fordert Scherf junge wie ältere Zuschauer:innen zu einem Krähentanz der Lebensfreude auf.

Aus dieser „Ecke“ strömt Wärme und positiv geladene Energie. Die Disdance Projectler sind Glücklichmacher:innen, zeigt das Team in der neuen Produktion doch auf, dass mit kleinen Flügelschlägen große Distanzen überwunden und mitunter federleicht Veränderungen erreicht werden können. Das Theater als Stätte, an der das Firmament bis zum Boden reicht, findet keine Traum-, sondern eine nachhaltige Realvorstellung. Nach „Störfall“ und „Der Bau“ unterstreicht das Haus mit „Die Ecke“ seine besondere Stellung als Manufaktur möglicher Unmöglichkeiten. Anlauf nehmen und mitfliegen!

Die Ecke | 23., 24., 25.1., 6., 7., 8.3. | Alte Wursterei | ab 8 Jahren | 0221 16 90 93 79

Thomas Dahl

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