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Sibel Polat, Hannah Lorenz, Tim Mrosek und Dorothea Förtsch
Foto: Marlene Krursel

Patriarchale Strukturen

10. Dezember 2019

„W.H.A.M. – Weißer Heterosexueller Alter Mann“ an der Studiobühne – Bühne 12/19

W.H.A.M. steht für „weißer heterosexueller alter Mann“ und ist das aktuelle, sozialkritische Theaterstück einer kreativen und reflektierten Gruppe von Schauspielern und Theaterschaffenden, das am 13.12. Premiere feiert. Die Darsteller Dorothea Förtsch, Sibel Polat und Tim Mrosek haben das Stück zusammen mit Regieassistentin Hannah Lorenz selbst entwickelt.

Mrosek: „Wir haben uns damit auseinandergesetzt, warum das Patriarchat entstanden ist, wie es sich hält, und was in den letzten Jahren alles passiert ist. Als wir dann mehr und mehr eine Form für die Bühne gefunden haben, waren wir auch mehr und mehr offen, damit zu spielen. Wir sind auf der Bühne wir selbst und nicht wir selbst und beschäftigen uns mit ganz vielen dieser Einzelsegmente, die man so findet, wenn man sich mit diesem großen Thema befasst. Wir versuchen einen Weg hin zu finden zu einer Erkenntnis oder zu einem Lösungsansatz, den wir sehen würden, wie man von diesem patriarchalen Strukturen wegkommen könnte.“

„Bei dem Thema weißer heterosexueller alter Mann, den wir auch oft in der Theaterlandschaft haben,“ erklärt Sibel Polat, „haben wir uns natürlich überlegt, wie wir das machen, entwickeln, wie wir vorgehen und das auf der Bühne nutzen können. Schnell haben wir uns dafür entschieden, dass wir als Kollektiv alle auf der Bühne als Performer agieren wollen und dass es bei dem Stück nicht geht, dass zwei Frauen auf der Bühne stehen und von außen gibt es dann einen weißen heterosexuellen (alten) Mann, der dann von außen sagt, so und so habt ihr das zu machen.“

Die Gruppe stellte fest, dass der Wunsch von allen Seiten kam. Somit war schnell klar, dass neben den beiden Frauen auch Regisseur, Dramaturg und Produzent Tim Mrosek als Schauspieler in Erscheinung tritt. Zu dritt verhandeln sie das Thema auf der Bühne, die Position von außen fällt weg: Es gibt in dem Sinne keine Regie, die Schauspieler geben sich gegenseitig Feedback, arbeiten Hand in Hand, und ob das funktioniert, zeigt am Ende das Stück.

Mit Sicherheit ist aber auch etwas daran, meint Polat, Gewinnerin des Kölner Darstellerpreises, dass „wir schon alle viel Theater-Erfahrung haben und uns gut verstehen. Wir sind mit Offenheit und Bereitschaft bei der Sache und waren uns von Anfang an bewusst, dass auch etwas schiefgehen kann, wenn wir Schauspieler uns auf der Bühne gegenseitig Kritik geben.“ So viel sei vorweggenommen: Von schiefgehen kann hier nicht die Rede sein.

Es ist absolut spannend, als Zuschauer von außen auf die Szenerie zu schauen. Selbst Regieassistentin Hannah Lorenz, die seit 2017 einige Projekte im Raum Köln in dieser Rolle, aber auch als Produktionsassistenz, begleitete, ist viel mehr als sonst in den Entwicklungsprozess einbezogen. „Normalerweise übernehme ich eher die Zuarbeiten, reden wird als Regieassistenz nicht verlangt oder gar gewollt. Ich bin da sozusagen erzogen, erst mal nichts zu sagen, nur wenn ich gefragt werde oder wenn ich überhaupt meine Meinung sagen darf.“

Für das ganze Team war alleine die Vorbereitungs- und Probezeit eine spannende und schöne, in der sich jeder wohlfühlen konnte. „Das kann man sich auch nicht mit jedem Team vorstellen“, so Lorenz. Bei „W.H.A.M.“ haben wirklich alle zusammen und übergreifend an dem Projekt gearbeitet, generiert, geschrieben.

Dramaturg der Studiobühne Köln und stellvertretender Leiter derselbigen, Tim Mrosek, ist dazu nicht nur freier Regisseur und macht Eigenproduktionen – „Sturm“ wurde soeben mit dem Kölner Theaterpreis ausgezeichnet – er ist auch als Schauspieler tätig. Auch er hat sich von Anfang an damit auseinandergesetzt, ob und wie man W.H.A.M. thematisieren kann, was bestimmte Machtpositionen bedeuten, wie die Themen Unterdrückung und Missbrauch von Machterhalt damit verbunden sind, wie man überhaupt darüber sprechen kann und welche Formen möglich sind auf der Bühne.

„In den Vorbereitungen haben wir viel über Strukturen gesprochen, Strukturen in Gesellschaften oder kleineren Feldern wie Theater. Wir haben uns überlegt, wie kann der Arbeitsprozess ablaufen und wie nehmen wir diesen im Theater wahr. Wo sehen wir Veränderungen, aber auch Änderungsbedarf.“

W.H.A.M. befasst sich mit einem Thema, das alle betrifft, ob man in einer Macht- oder untergeordneten Position ist. „Die Zielgruppe ist weit gefasst“, so Dorothea Förtsch, „weil einerseits viele dieser marginalen Gruppe angesprochen werden, aber ganz so die, die nicht in die Kategorie fallen, z.B. Frauen oder People of Colour. Es sind alle W.H.A.M.‘s und alle Nicht-W.H.A.M.‘s angesprochen.“

Nicht nur auf vielfältige Kostüme und Aktion auf der Bühne darf sich der Zuschauer freuen, sondern auch auf einen positiven Anstoß, ruft das Stück doch wohlwollend dazu auf, sich bewusst zu machen, wie privilegiert er oder sie lebt, „denn nur wer weiß, was seine Privilegien sind, der kann damit sinnvoll handeln, etwas ändern und abgeben“.

„W.H.A.M. – Weißer Heterosexueller Alter Mann“ | 13. - 17.12. je 20 Uhr | Studiobühne Köln | 0221 470 4513

Marlene Krursel

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