„Messermädchen“ wäre so ein Wort. „Volksverräter“ ein weiteres. Worte, die durch Wiederholung nicht nur ihr Empörungspotential verlieren, sondern eine Verschiebung der Sprachgrenze nach rechts andeuten. In der Tanzfaktur nimmt das Black Metal-Quartett (Kristina Halmanns, Isabella Kolb, Asim Odobasic und Tim Mrosek) das wörtlich und stemmt sich körperlich gegen die imaginäre Grenze, die aber ziemlich fest steht.
Nach seiner Produktion zum problematischen Sprachgebrauch im Rap sucht Tim Mrosek nun die sprachliche Demarkationslinie zum Rechtsradikalismus auf. Die vier Performer:innen mit ihren langen grau-weißen Perücken, ihrem Black-and-white-Makeup, den schwarzen Klamotten fungieren dabei als Katalysatoren, durch die der problematische Sprachgebrauch hindurchgeht, die ihn kritisieren, ihn aber auch vorantreiben. Vor vier monumentalen Boxentürmen, die später zu Treppen umfunktioniert werden, lässt das Quartett Joseph Goebbels und die Drogensucht Adolf Hitlers aufleben, streift Victor Klemperers Untersuchung zur Sprache des Nationalsozialismus („LTI“) und gerät über jede Kurzbio in Verzückung. Dass Black Metal mit Mythengeraune und Gesangsstil selbst Parallelen zum NS aufweist, das sei nur nebenbei erwähnt. Von abgründiger Ambivalenz ist dann der Verweis auf Edward Bernays, den Neffen Sigmund Freuds und Erfinder des Marketings bzw. der Propaganda. Die von der Rechten geübte Praxis der ständigen öffentlichen Wiederholung von Begriffen mit strategischer Absicht geht letztlich auf ihn zurück. Der Abend zeigt, wie durchlässig die Grenzen zwischen Propaganda, Werbung und PR sind, die letztlich allen politischen Richtungen offenstehen, von Neonazis bis zu strikter Wokeness.
Total | R: Tim Mrosek | 18. - 22.10. | Studiobühne in der Tanzfaktur | 0221 470 45 13
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
An der Grenze von Ernst und Komik
boy:band und Studiobühne Köln: „Clowns“ – Prolog 06/23
Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23
Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23
Tanz der toten Emotionen
„Service und Gefühl“, TanzFaktur
„Eine Mordsgaudi für das Publikum“
Festival fünfzehnminuten in der TanzFaktur – Premiere 01/23
Mit Ulrike Meinhof reden
„lieber wütend als depressed“ des Parasites Ensemble – Auftritt 10/22
Apokalyptische Vision
„Shit(t)y Vol. 1“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 09/22
„Ein Konzeptalbum, das sich mit Köln auseinandersetzt“
Daniel Schüßler über„Shit(t)y Vol.1.“ in der Tanzfaktur – Premiere 09/22
Monogam imprägniert
„Szenen einer Ehe“ am Theater der Keller – Auftritt 09/22
Wurzeln, Muskeln, queere Körper
„Mandragora“ in der Tanzfaktur – Auftritt 08/22
„Wir werden kein besseres Paar, nur weil wir heiraten“
Ulrike Janssen über „Szenen einer Ehe“ am Theater der Keller – Premiere 08/22
„Ab wann kippt ein freier Geist?“
Constantin Hochkeppel & Collaborators über „Tipping Points“ – Premiere 04/22
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23
Erziehung zur Empathielosigkeit
„Das große Heft…“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 05/23
Kreativität des Erinnerns
subbotnik: „Haus/Doma/Lustdorf“ – Theater am Rhein 04/23
Stupende Aktualität
„Das große Heft“ in der Orangerie – Theater am Rhein 04/23
Politische Wucht
„Cotton Club“ in Bonn – Theater am Rhein 03/23
Doller kuscheln
„Gott des Gemetzels“ am Schauspiel – Theater am Rhein 03/23
Die Ehre, sterben zu dürfen
„Leutnant Gustl“ am Bauturm-Theater – Theater am Rhein 02/23
Wohlstandspöbel
„Downgrade Prometheus“ von Trafique – Theater am Rhein 02/23
Hamsterrad des Lebens
„Helges Leben“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Irgendwie dazwischen
„Exil“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Lehren des Widerstands
Theater der Keller: „Mädchenschule“ – Theater am Rhein 01/23
Authentisches Theater
„Hypocrites“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 01/23