Ein junger Tänzer stellt nach und nach mehrere Handys auf die Bühne, während Bachs „Goldbergvariationen“ aus den Lautsprechern perlt. Die Screens vervielfachen den Protagonisten sukzessive. Sie zeigen ihn tanzend oder Chips verschlingend, dazu fallen Sätze wie „I am present but I don‘t exist“ (übersetzt: „Ich bin anwesend, existiere aber nicht.“). Der Performer, Choreograph und Tänzer Ido Grinberg zeigte im Januar beim fünfzehn-Minuten-Festival in Köln einen ersten Ausschnitt aus seiner Produktion „A Society of Screens“. Bereits der kleine eindrückliche Splitter ließ erkennen, dass es Grinberg um das virulente Phänomen geht, wie wir uns über Screens mit der Welt verbinden und welche Formen der Interaktion uns die Screens dabei auch ganz körperlich aufzwingen.
Die Uraufführung von „A Society of Screens“ eröffnet jetzt das West off-Festival, das das Bonner Theater im Ballsaal, die Studiobühne Köln und das FFT Düsseldorf ausrichten. Neben Ido Grinberg stehen noch Milena Cestao Kolbowskis Performance „Ay Papi Ay Mami“ über Gewaltverherrlichung und Misogynie in der Popmusik und David Martínez Morentes „Richard III oder Cr7istiano“ über Männlichkeitsbilderjenseits des Patriarchalismus auf dem Programm. Mit Grinberg und Kolbowski kommen somit gleich zwei Produktionen aus dem Bereich des Physical Theatre. Svenja Pauka, Geschäftsführerin am Bonner Ballsaal, sieht da durchaus Anzeichen einer Tendenz, die eine Folge des Studiengangs an der Folkwang-Uni in Essen sei.
Grundlage der Auswahl des West Off-Festivals war wie immer das Kölner fünfzehn-Minuten-Festival sowie ein Pitch, den die drei Bühnen ausgelobt hatten. Das Themenspektrum der eingereichten Produktionen, so Svenja Pauka, reichte vom Ukraine-Krieg über Science Fiction, psychische Erkrankungen und Digitalität bis hin zu Diversität – ein Verweis auf die unverstellte Gegenwartsorientierung des freien Theaters. Die ausgewählten Produktionen, die sowohl in Bonn, Köln und Düsseldorf zu sehen sein werden, stellen für alle Beteiligten auch ein Versprechen für die Zukunft dar. Svenja Pauka erzählt, dass sie bereits mit Ido Grinberg im Gespräch über weitere Produktionen sei. Der Performer und Tänzer, der in Göteborg und Tel Aviv studiert hat, hat sich bereits in NRW niedergelassen und will hier produzieren.
West Off 2023 | Theater im Ballsaal, Bonn | 15. - 18.11. | Studiobühne Köln | 22.-26.11. | FFT Düsseldorf | 7. - 9.12. | west-off.de
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