Ein junger Mann schaut ratlos auf die Bauanleitung eines Grills. Es ist nicht mehr viel Zeit, bis die Gäste kommen. Bierbänke und Tische stehen bereit und ein kleines Buffet wartet am Eingang. Das Studio Trafique könnte sich kaum einladender präsentieren. Gerade hat das Ensemble den Kölner Kulturpreis 2022 Junge Initiativen verliehen bekommen. Doch Newcomer sind Regisseur Björn Gabriel und Schauspielerin Anna Marienfeld eigentlich nicht. Seit mehr als zehn Jahren stellt das Studio Trafique Köln-Dortmunder Koproduktionen auf die Beine. Jetzt also ein eigenes Haus in Köln-Nippes. Schuld daran war der Lockdown.
Mit Video gearbeitet hat das Performance-Ensemble eigentlich immer schon. Doch mit den während der Pandemie produzierten Stücken „Toxic“ und „Fassaden“ machte man aus der Not eine Tugend und definierte die erzwungene Virtualität als eigenständige ästhetische Qualität um: Das „Livefilmtheater“ sei ein großer Schritt gewesen, weil es die Performance mit Livefilmbildern, Vorproduziertem und Bildverfremdungen verbindet, erklärt Björn Gabriel. Und zugleich wird jede Vorstellung auch als Stream angeboten. Anna Marienfeld spricht von einem „neuen ästhetischen Level“, das man nach jahrelangem Experimentieren nun erreicht habe. Die hohe Komplexität des Bühnengeschehens, die damit einhergeht, habe die Suche nach einer eigenen Spielstätte geradezu erzwungen. „Wir sind auf einen eigenen Raum angewiesen, in dem wir wie in einem Labor arbeiten können“, ergänzt Björn Gabriel.
Gefunden haben die beiden ihn in der Merheimer Straße in Nippes, kurz vor dem Parkgürtel. Der langestreckte hellgrüne Bau mit Tonnendach, dem man seine Vorgeschichte als Schützenheim noch ansieht, bietet Platz für 50-70 Zuschauer:innen und verfügt über eine Spielfläche von ca. 50 qm². Die Bühnenbilder finden Platz in einem kleinen Lager. Auf dem Spielplan steht derzeit das Stück „Lenz“ nach Georg Büchners Erzählung, drei weitere Produktionen hält man als Repertoire bereit - im Herbst kommt dann das neue Stück „reset – a night without men“ heraus. Da das Studio Trafique die Raumnot der Kölner freien Szene aus eigener Anschauung gut kennt, öffnet man das Haus auch für andere Gruppen wie wehr51. „Das Interesse ist groß“, sagt Anna Marienfeld – auch beim Publikum, das an diesem Abend zahlreich eintrudelt.
Lenz | R: Björn Gabriel | Fr 1.7., Sa 2.7. 20 Uhr | Studio Trafique | www.studio-trafique.de
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