Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20

12.580 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Foto: Klaudius Dziuk

Präfaschistische Atmo

07. März 2022

Filmklassiker im nö theater – Theater am Rhein 03/22

Fast zwei Stunden lang hat die Autorin (Lucia Schulz) um Sätze und Engagement gerungen. Schließlich steigert sie sich in eine nicht enden wollende „Ich scheiß’ drauf“-Suada: Sie scheißt auf alles, von Obdachlosen bis Mädchenhandel – und greift zur elektrischen Gitarre. Ein politischer Wechsel? Oder Eskapismus? Das nö theater spielt „M? – Eine Stadt sucht keinen Mörder“ nach Fritz Langs Filmklassiker, übernimmt aber nicht den Plot, sondern „nur“ die präfaschistische Atmosphäre. Der erste Teil des von Stefan Rogge inszenierten Abends ähnelt einem szenischen Kaleidoskop. Die Autorin müht sich am Tisch mit der Schreibmaschine ab, ein Uniformierter mit Pinocchio-Nase und Guardia Civil-Helm nervt sie zwischen Hilfestellung und Drangsal; ein Mann namens Soundso (Janosch Roloff), der aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheint, kommt in seine Heimatstadt zurück und wird als Fremder abgewiesen. Dazwischen intoniert der Musiker Philipp Ullrich harte Rocksongs. Das Präfaschistische liegt in den Spurenelementen des Ressentiments und der Verdächtigung. Es folgen zwei große Dialogszenen, in denen die Autorin gegenüber Soundso zwischen gesellschaftlicher Mutlosigkeit, der Anprangerung ausländerfeindlicher Pogrome und einer Hypersensibilität changiert. Eine Mittagessensszene in einem NS-Haushalt mit einem latent bedrohlichen Braunhemd-Hausherrn (Yannick Hehlgans) schließt sich an – bis die Autorin „Scheiß drauf!“ brüllt und die Kunst damit kapituliert. Die Schürfarbeit im Atmosphärischen eines (Prä-)Faschismus ist ehrenwert, aber sie bleibt letztlich zu inkonsequent, zu assoziativ-mäandernd und ästhetisch divers.

M? – Eine Stadt sucht keinen Mörder | R: Stefan Rogge | Weitere Termine in der Spielzeit 2022/23 | www.noetheater.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Der Buchspazierer

Lesen Sie dazu auch:

„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24

Die Kunst der Schlaflosigkeit
21. Kölner TheaterNacht am 2. Oktober – Prolog 09/23

Bis zum Sonnenkönig
„Molière“ beim NN Theater Freiluftfestival – Prolog 07/23

Dortmunder Turbulenzen
Schauspielchefin Julia Wissert unter Druck – Theater in NRW 07/22

Neues ästhetisches Level
Studio Trafique hat eine eigene Spielstätte in Köln – Prolog 07/22

Bachmann bleibt
Schauspielintendant verlängert seinen Vertrag – Theater in NRW 09/21

„Fehler identifizieren, Fehler heilen“
Bernd Streitberger über die Sanierung der Bühnen Köln – Premiere 08/19

Die Brandschutz-Lobby
Eine Sprinkleranlage flutet das Duisburger Theater – Theater in NRW 05/19

„Keine Angst vor Abos!“
Jutta Unger über die Besucherorganisation Freie Volksbühne e.V. – Interview 04/18

Von Jägern und Gejagten
Kölner Reihe Tanz mit Highlights im Forum Leverkusen – Tanz in NRW 06/16

Später, teurer, chaotischer
Die Kölner Bühnensanierung als unendliche Geschichte – Theater in NRW 01/16

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!