Es ist unmöglich, zivilisatorisches Wissen zurückzunehmen. Kenntnisse mögen kurzeitig verlorengehen, aber sie verschwinden nie völlig. Das Downgrading von Prometheus, der mythologisch den Menschen das Feuer gebracht hat und damit die Zivilisation, muss also ein frommer Wunsch bleiben. Zwei in silbriger Eleganz aufgetakelte Ehepaare treffen sich zum Gesellschaftsspiel „Schaharade“. Im Wechsel produziert das blasierte Mittelstands-Quartett perlende Wortkaskaden, die Platons „Höhlengleichnis“ genauso aufrufen wie Probleme des Waxings oder Bankgeschäfte. Die Dialoge sind der ironischen Gespreiztheit einer Yasmina Reza, dem Theoriegeklingel eines Rene Pollesch nachempfunden und mit dem Pathos eines Heiner Müller abgeschmeckt – und sie haben viel Witz (Regie und Text: Björn Gabriel).
Der Abend schließt damit an eine Jahrtausende alte Kontroverse an, die Prometheus mal als Metapher für menschliche Selbstermächtigung und Fortschrittsoptimismus interpretierte oder – und dafür entscheidet sich der Abend – als Sinnbild grundsätzlicher Zivilisationskritik. Zwischendurch wirft sich das Quartett (Tomasso Tessitori, Nancy Pönitz, Max Ranft, Johanna Reinders) in einen Swimmingpool oder verkriecht sich in ein Zelt. Hauptaktionsfeld bleibt aber ein kreisrunder Flokati-Teppich vor einer Leinwand, auf der Livevideos mit produziertem Material verschnitten wird. Der unbeantwortete Ruf „Nimm das Feuer zurück“ gipfelt schließlich in einem Lob des Zeus, der Prometheus für seinen Frevel hart bestrafte. Für den Wohlstandspöbel in transzendentaler Obdachlosigkeit bleibt am Ende dieses unterhaltsamen Abend allerdings nur noch eines: „Ich kümmere ich um mein Ich“.
Downgrade Prometheus | Studio Trafique | 31.3., 2.4. | studio-trafique.de
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