„Wir sind als ein Straßentheater gegründet worden, eigentlich wie die Truppe von Molière damals auch“, erklärt Oliver Schnelker. Er leitet das NN Theater mit, das seit mehr als 35 Jahren deutschlandweit tourt, sowohl an Stadttheatern, als auch immer wieder unter freiem Himmel, auf Marktplätzen oder Open Air-Bühnen. Einmal im Jahr kehrt es in seine Geburtsstadt Köln zurück und veranstaltet dort das mehrtägige NN Theater Freiluftfestival. Unter der Regie von Irene Schwarz, einer der Mitgründer:innen des Ensembles, bringt die Gruppe dieses Jahr ihr neues Stück „Molière – Drama, Dreck und Don Juan“ auf die Bühne des Bauspielplatzes im Friedenspark. „Molière sagt einst: ‚Man bessert den Menschen, indem man ihn belustigt‘, und das trifft den Nagel für uns auf den Kopf. Wir versuchen, die Menschen durch Lachen auch bereit zu machen für ergreifendere Szenen“, erklärt Schnelker.
Das Geschehen beginnt mitten im Frankreich des 17. Jahrhunderts: Der junge Dramatiker Molière zieht mit seiner Schauspieltruppe durchs Land und trifft mit seinem neuen Werk „Don Juan“ zunehmend auf Begeisterung bei der verarmten Bevölkerung. Sein Protagonist ist ein Meister der Flirts und fordert gekonnt die gesellschaftlichen Normen heraus. Als „Stück im Stück“ wird auch das Publikum im Friedenspark den Herzensbrecher kennenlernen. König Ludwig XIV. ist fasziniert von Molière und bestellt die Truppe nach Versailles. „Am Hof hat diese Gruppe, die sonst immer extrem arm war, plötzlich ein eigenes Theater, Geld für Kostüme und so weiter“, erklärt Schnelker, der auf der Bühne selbst als Ludwig XIV. zu sehen sein wird. Doch die Gunst des Sonnenkönigs ist nicht bedingungslos, denn was ihm inhaltlich nicht passt, soll aus Molières Werken gestrichen werden. Der stichelt jedoch weiter, auch gegen den König. Schließlich kommt es zu einer Intrige, die den Dramatiker vom Hof zu verbannen droht. „Molière war eigentlich wie ein Narr, weil er weiterhin so stark die Kirche kritisierte“, so Schnelker. Er betont: „Zwar ist das alles ewig lange her, aber dieser Aufstieg und der Zwang, anderen nach dem Mund reden zu müssen und plötzlich auch in einer politischen Zensur zu sein, das ist alles hochaktuell“.
Neben „Molière – Drama, Dreck und Don Juan“ präsentiert das NN Theater im Rahmen des Freiluftfestivals auch die beiden Stücke „Odyssee“ und „Exit Casablanca“, die unter der Regie von Rüdiger Pape entstanden. Mit einer besonderen Atmosphäre ist bei allen Aufführungen zu rechnen, denn das Theater startet immer im Hellen und spielt in die Dunkelheit hinein.
NN Theater Freiluftfestival | Molière – Dreck, Drama und Don Juan | 27., 28., 29.7. je 20.30 Uhr | Odyssee | 30., 31.7. je 20.30 Uhr | Exit Casablanca | 1.8. 20.30 Uhr | Friedenspark | www.nntheater.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24
Die Kunst der Schlaflosigkeit
21. Kölner TheaterNacht am 2. Oktober – Prolog 09/23
Dortmunder Turbulenzen
Schauspielchefin Julia Wissert unter Druck – Theater in NRW 07/22
Neues ästhetisches Level
Studio Trafique hat eine eigene Spielstätte in Köln – Prolog 07/22
Freiluftfestival auf der Schäl Sick
NN Theater Köln weicht nach Köln-Poll aus – Festival 06/22
Präfaschistische Atmo
Filmklassiker im nö theater – Theater am Rhein 03/22
Bachmann bleibt
Schauspielintendant verlängert seinen Vertrag – Theater in NRW 09/21
„Fehler identifizieren, Fehler heilen“
Bernd Streitberger über die Sanierung der Bühnen Köln – Premiere 08/19
Die Brandschutz-Lobby
Eine Sprinkleranlage flutet das Duisburger Theater – Theater in NRW 05/19
„Keine Angst vor Abos!“
Jutta Unger über die Besucherorganisation Freie Volksbühne e.V. – Interview 04/18
Von Jägern und Gejagten
Kölner Reihe Tanz mit Highlights im Forum Leverkusen – Tanz in NRW 06/16
Später, teurer, chaotischer
Die Kölner Bühnensanierung als unendliche Geschichte – Theater in NRW 01/16
Mut zur Neugier
„Temptation“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 04/24
Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24
Wahllos durch die Zeitebenen
„Schlachthof Fünf“ am Theater im Ballsaal – Auftritt 04/24
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24
Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24
„Wir wissen nicht viel über das Universum“
Ronny Miersch inszeniert „Der Mensch erscheint im Holozän“ am TdK – Premiere 04/24
Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24
Für die Verständigung
Stück für Gehörlose am CT – Theater am Rhein 03/24
Im Höchsttempo
„Nora oder Ein Puppenhaus“ in Bonn – Theater am Rhein 03/24
Lesarten des Körpers
„Blueprint“ in der Außenspielstätte der Tanzfaktur – Prolog 03/24
Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24
„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24
Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24