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Eröffnung: US-Filmkomponist Cliff Martinez („Drive“) mit den SoundTrack-Gründern Matthias Hornschuh und Michael P. Aust
Foto: Jan Schliecker

Filmmusik-Kongress mit Drive

01. September 2016

SoundTrack_Cologne brachte zum 13. Mal Künstler und Medienmacher zusammen – Festival 09/16

Als englischsprachiger Fachkongress zusammen mit dem Musikfilm-Programm See the Sound hat sich SoundTrack_Cologne seit der Gründung im Jahr 2003 zu einem europäisch bedeutenden Branchentreffen in den Bereichen Film, Games und Medien im Zusammenhang mit Musik entwickelt. Der in diesem Jahr von über 800 Teilnehmern besuchte Kongress wird von vielen Seiten unterstützt, wie etwa von der Film- und Medienstiftung NRW und der Stadt Köln. Zum zweiten Mal wurde zudem mit der gleichzeitig stattfindenden c/o pop kooperiert. Zur Eröffnung auf dem abendlichen Börsenplatz vor der IHK, worin dann über vier Tage die rund 30 Workshops und Panels stattfanden, sprach Michael P. Aust am vergangenen Donnerstag über das Programm, das aus einem „natürlichen Antagonismus“ zwischen ihm als Filmproduzenten („Eva Hesse“, „Parallax Sounds Chicago“) und Mitbegründer Matthias Hornschuh als Komponisten erstritten werde, mal abgesehen von der Mitbestimmung von Komponist und Game-Produzent Helge Borgarts – der sich über das Stattfinden der Gamescom im selben Monat freute – und der Kuratorin des Filmprogramms Kathrin Häger.


„I Go Back Home – Jimmy Scott“: Yoon-ha Chang mit Ralf Kemper, Foto: Stephanie Englert

Der dokumentarisch anmutende Eröffnungsfilm „Raving Iran“ zeigte den versammelten Musiktalenten, dass es den europäischen Komponisten trotz mancher Schwierigkeit im Vergleich mit Musikern im Iran recht gut geht. Denn die haben noch immer mit einem Zensurapparat zu kämpfen, der die Menschen fest im Griff hat. Auch gefilmt wurde zum Teil heimlich.

Die feierliche Preisverleihung fand am Sonntag im IHK Börsensaal statt. Filip Sijanec erhielt für den animnierten Kurzfilm „Fulfilament“ den Peer Raben Music Award, Daniel Herget darf dank des WDR Filmscore Award nun mit dem WDR Funkhausorchester eine eigene Komposition aufnehmen, und Jérémy Bocquet freute sich über den European Talent Award für Sounddesign. Der Musikdokumentarfilmpreis ging an „I Go Back Home – Jimmy Scott“ von Yoon-ha Chang. Außerdem wurde Cliff Martinez („Drive“, „The Neon Demon“) mit dem Ehrenpreis gewürdigt. In ihrer Laudatio wies Eleni Mitsiaki darauf hin, dass Martinez das Metier in aufregende neue Bereiche bringe, indem er elektronische Klangwelten mit akustischen Elementen richtungsweisend verbinde. 

Martinez, der 62-jährige Ex-Drummer der Weirdos und der Red Hot Chili Peppers, erzählte bei der Eröffnung von seinem späten Erfolg in der Filmbranche: „Ich konnte mit meinem Musikidol Captain Beefheart spielen, was eine große Ehre für mich war. Er stellte sich als ein verletzender Tyrann heraus, aber ich habe viel über Musik gelernt und er hatte auch einen starken Einfluss auf meine Musik als Komponist.“ Nach zwei Alben mit den Peppers wollte er nicht auf der Bühne alt werden und begann sich für Filmmusik zu interessieren, besonders nachdem er „The Grifters“ mit der Musik von Elmer Bernstein gesehen hatte. „Ich war erstaunt, dass ein über 80-Jähriger noch auf der A-Liste stand und frisch klang. Er war also meine Inspiration. Ich hatte dann das Glück Steven Soderbergh zu treffen, der mich bat, seinen ersten Film ‚Sex, Lügen und Video‘ mit Musik zu versehen. Danach war ich plötzlich ein gemachter Mann in Hollywood.“ Nun beginnt der sich selbst als einen Senior bezeichnende Komponist seine Arbeit am dritten „Wolverine“-Film.


Reinhold Heil (Mitte) mit Matthias Hornschuh und Michael P. Aust, Foto: Jan Schliecker

Reinhold Heil, ebenfalls 62, hat einen ähnlichen Weg zurückgelegt, als Keyboarder der Nina Hagen Band, die in den frühen 80ern als Spliff („Carbonara“) ohne Hagen erfolgreich weitermachte. Er produzierte u.a. drei Nena-Alben samt den „99 Luftballons“, fing aber später an, die Arbeit als Produzent für andere Leute zu hassen. „In den 90ern wollte ich einfach selbst Musik schreiben, außerhalb der Schranken einer Band und dem Herumgezerre. Ich freundete mich mit Filmproduzenten an und Mitte der 90er gab es Leute, die mir erlaubten, Musik für Filme zu machen.“ Besonders bekannt ist seine Zusammenarbeit mit Tom Tykwer („Lola rennt“, „Cloud Atlas“). In den letzten Jahren habe er in Los Angeles vorwiegend für Serien geschrieben, darunter die Musik zu „Deutschland 83“, „Helix“ und jetzt „Berlin Station“.

Ein Schwerpunkt von SoundTrack_Cologne war es wie immer, Chancen und Probleme, die auf Komponisten zukommen, zu diskutieren, darunter die Frage der Vergütung bei Serien und Filmen von Streaming-Anbietern. Micki Meuser von der Deutsche Filmkomponistenunion (DEFKOM) sagte dazu: „Wir haben jetzt Netflix, AmazonPrime und andere Organisationen, die nun Videos streamen, und wir bekommen von denen erste Aufträge, was zunächst einmal gut ist.“ Allerdings sei zu befürchten, dass in diesem Zukunftsbereich die Tantiemen für Ausstrahlungen und Vorführungen deutlich niedriger ausfielen.

Mitorganisator Matthias Hornschuh, der auch den Berufsverband MediaMusik e.V. vertritt, bestätigte, dass es dunkle Wolken am Horizont gebe. „Seit letztem Sommer bin ich durch ganz Europa und nach New York gereist, und die meiste Zeit hatte ich mit dem derzeitigen Ringen um die Urheberrechte und die digitalen Rechte zu tun. Diese sind uns über die Jahre immer mehr auf uns zugekommen, und viele von uns dachten nicht daran, dass wir uns eines Tages mit Privatsphäre und Datenschutz würden beschäftigen müssen. Das müssen wir aber, da kreative Werke mit Daten verbunden sind.“ Nach dem Brexit habe er für sich persönlich entschieden, sich als Europäer zu verstehen. „Nur wir selbst können unsere Interessen vertreten.“ Kunst sei nie wichtiger als jetzt, es sei die Aufgabe der Künstler, anderen Menschen, mit denen man zu tun habe, ihre Angst vor Veränderungen zu nehmen.

Anselm Kreutzer vom Composers Club lobte SoundTrack_Cologne als wichtiges soziales Ereignis: „Ich erinnere mich an Zeiten vor 10, 15 Jahren, als es ungewöhnlich war, wenn Kollegen sich untereinander kannten und miteinander sprachen.“ Die Bedrohung der Urheberrechte mache das Zusammenrücken nur noch wichtiger. Diverse Diskussionen, Workshops und gemeinsam an der Sonne verbrachte Pausen machten das möglich.

Die nächste SoundTrack_Cologne ist derzeit für den 23. bis 27. August 2017 geplant.

Jan Schliecker

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