Wie Stoffe und Geschichten zu Kinofilmen werden, dürfte außerordentlich vielfältig sein. Reale Geschichten, Schnipsel aus Zeitungen, Buch- und Romanvorlagen, Adaptionen von Theaterstücken, Opern oder Comics, Originaldrehbücher, Weiterentwicklung von Fernsehserien oder Improvisation zu einem Thema. Nun kommt eine neue Vorstufe zum Kinofilm auf, nämlich Spielfilme, die von den Geschichten oder zumindest der Popularität von Videobloggern, kurz Vlogger genannt, leben.
Mit diesem neuen Content wird auch die relativ junge Form der Crowdfunding-Finanzierung weiterentwickelt. Hier kommt das Produktionsbudget nicht (ausschließlich) von klassischen Produzenten, TV-Anstalten und Filmförderung zusammen, sondern es ist eine Vielzahl von kleinen Anlegern, die an das geplante Projekte glauben. Dabei sind es weniger spekulierende Finanzinvestoren als die Fans, die die Migration vom Bildschirm auf die Leinwand beflügeln und ermöglichen. Ein sehr erfolgreiches und bekanntes Beispiel war die Entstehung von „Stromberg – Der Film“ mit Christoph Maria Herbst, wo innerhalb kürzester Zeit die Serienjunkies mit bis zu 5-stelligen Beträgen die Produktion sicherten.
Die Geschichte der Vloggern geht so: Kleine Filmchen, mit dem Handy gefilmt und von den Fans auf dem gleichen Medium konsumiert, sollen nun auf den Big Screen. Zwar bemüht sich auch das Fernsehen um diese jungen Stars, die mit Schmink-Tipps, Kommentaren zum Zeitgeist und Sketchen ein Millionenpublikum ansprechen, doch noch interessanter scheint die Leinwand. Die Liebe der Fans scheint derart grenzenlos, dass Filmproduzenten auf dieses Phänomen aufmerksam wurden und hier ein neues Genre entwickeln. Damit treten die zum Teil außerordentlich erfolgreichen Helden einer Teenager-Zielgruppe, die bislang auf eigene Kosten kurze Clips – und das teilweise mehrfach pro Woche – auf YouTube hochluden, nun an, mit der Fanbase als Finanzierer im Rücken ins Geschäft einzusteigen.
Auf den Video Days in Köln und Berlin Anfang Mai waren dann auch die größten Vlogger Magnet der Veranstaltung. Joyce, die Lochis, Freshtorge und andere, die auf YouTube zum Teil über 1 Millionen Abonnenten haben, stehen in den Startlöchern. Freshtorge, alias der Grundschullehrer Torge Oelrich, der sich als begriffsstutzige Sandra auf dem YouTube-Kanal „Freshaltefolie“ ziemlich flachen Witzen hingibt, kommt bereits im Sommer mit dem Film „Kartoffelsalat “ ins Kino. Hierzu hatte er unter anderem den Blödelliebling Otto engagiert, der in der Zombie-Parodie verschiedene Rollen spielt. Der Film wurde in einem Monat ohne Förderung und Verleih für weniger als 1 Mio. € gedreht und man darf gespannt sein, ob das Publikum hier auch zu zahlen bereit ist. 300.000 Besucher dürften ausreichen, um die Produktionskosten wieder einzuspielen – also ein Viertel der Fans; könnte also klappen.
Einen gewaltigen Vorteil haben die Stars in jedem Fall, nämlich einen Kanal, die Kunden direkt für den Kinofilm zu begeistern: den abonnierten Kanal auf YouTube. Nirgendwo sonst trifft man die Gemeinde, die dem Kino ohnehin zusehends abhandenkommt, so gut wie im Zentrum ihres medialen Konsums.
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