Das Filmnetzwerk LaDOC lädt am 23.10. zu einem „Next Generation“-Abend ins Kölner Filmhaus. Drei junge Filmemacherinnen stellen ihre jeweils knapp 25-minütigen Kurzfilme vor und sprechen dabei über ihre Zukunftspläne: Kim Lea Sakkal zeigt „Immaculata“, Laura Heinig „Ich fühl deine Stille“ und Lenia Friedrich präsentiert „So ist das Leben und nicht anders“. Wir haben alle drei Regisseurinnen kurz interviewt. Hier spricht Lenia Friedrich über „So ist das Leben und nicht anders“.
Frau Friedrich, Sie spiegeln in Ihrem Film „So ist das Leben und nicht anders“ das Leben ihrer älteren Nachbarin Frau Miko - und reflektieren dabei den Prozess des Alterns. Sie machen dabei viele Gedanken über das eigene Altern sicht- und hörbar. Wie kamen Sie auf die Idee - und wie sehr half der Kunstgriff der Animation?
Das Projekt entstand aus einer Hilflosigkeit heraus. Ich begegnete meiner Nachbarin Frau Miko häufig im Treppenhaus, wo sie mich verwirrt um Hilfe bat. Sie lebte mit über 90 Jahren allein in ihrer Wohnung und ihre Demenz war bereits sehr fortgeschritten. Ich wusste oft gar nicht, wie ich helfen könnte. Als ich erfuhr, dass sie vor ihrer Heirat den gleichen Nachnamen trug wie ich, fing ich an darüber nachzudenken, wie ich mich in ihrer Haut fühlen würde bzw. wie sich mein Altern gestalten wird. Ich entschied, mich ihr in Gesprächen anzunähern. In meiner Arbeitsweise wollte ich meine demenzerkrankte Nachbarin nicht mit einer Kamera konfrontieren. Ich nahm unsere Gespräche nur mit dem Tonband auf, auch um eine natürliche Gesprächssituation zu gestalten. Ich wollte sie nicht bloßstellen und ich finde, ihre Stimme spiegelt bereits sehr ihre Persönlichkeit wider. Die Technik der Animation ermöglichte es mir, Bilder zu generieren, die surrealistisch und traumhaft sind. Sie sind eine visuelle, fragmentarische Interpretation davon, wie ich mir vorstelle, wie meine Nachbarin die Welt unter Einfluss der Krankheit wahrnimmt, und wie sich Erinnerungen generell darstellen lassen. Außerdem arbeitete ich mit Archivmaterial aus ihren Fotoalben und mit Videoaufnahmen von ihrer unbewohnten Wohnung, da sie bereits zu Projektbeginn in ein Altersheim verlegt worden war. Die Wohnung und mit ihr all die Gegenstände, die sie jahrzehntelang begleitet hatten, „warteten“ still auf ihre Rückkehr, die niemals eintrat.
Im Zuge meiner Arbeit am Film und meiner vertiefenden Recherchen zum Thema Demenz wurde mir eines klar: Dieses Thema ist hochgradig feministisch. Frauen tragen nicht nur den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit innerhalb der Familie – sie sind auch im professionellen Pflegebereich überproportional vertreten, oft unter prekären Bedingungen und bei geringer Entlohnung. Darüber hinaus sind Frauen selbst häufiger von Demenz betroffen als Männer – und das lässt sich nicht allein mit ihrer höheren Lebenserwartung erklären. Was bedeutet das für die pflegerische Versorgung dieser Frauen – in einem System, das ohnehin schon an seine Grenzen stößt?
Bei LaDOC wird die Frage nach Strategien für Filmemacherinnen gestellt. Gibt es eine Strategie, die Sie in den nächsten Jahren mit ihen nächsten Filmen verfolgen wollen?
Ich freue mich sehr, dass mit „LaDOC - Next Generation“ die Situation von Nachwuchs-Filmemacherinnen in den Fokus genommen wird. Mit dem Abschluss an der Kunsthochschule für Medien Köln Anfang dieses Jahres endete für mich ein besonderer Lebensabschnitt, der es ermöglichte, risikoarm viele Dinge auszuprobieren. Ich denke, es ist wichtig, präsent zu sein. Den Markt im Auge zu haben, an Filmfestivals teilzunehmen und sein Netzwerk stetig auszubauen. Für mich ist besonders wertvoll, im Austausch mit Kreativen zu sein, die in derselben Situation sind, und zu merken, dass sie mit den gleichen Problemen kämpfen und wir uns gegenseitig stärken können. Außerdem arbeite ich mit Synergien zwischen den verschiedenen Medien wie Film, Print, Augmented Reality, Wandmalerei. Zum Beispiel setze ich auch gerne Print-Projekte um und bin auf Kunstbuchmessen zu finden. Der Austausch auf Märkten und Filmfestivals gibt sehr viel Energie, an die eigenen Projekte zu glauben und weiterzumachen. Die wichtigste Strategie ist daher: nicht aufgeben. Das fällt mal einfacher, mal schwerer - es ist gerade keine ermutigende Zeit für Kunst- und Filmschaffende, wenn man auf die Förderlandschaft schaut.
Infos zur Veranstaltung von LaDOC am 23.10. unter ladoc.de/next-generation/
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