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Patricia Rommel und Oliver Baumgarten bei Edimotion
Frank Brenner

Unermüdliches Engagement für den Schnitt

27. Oktober 2025

„Kammerflimmern“ im Filmhaus – Foyer 10/25

Montag, 27. Oktober: Bevor am vierten Festivaltag die 25. Schnittpreis-Verleihung den Höhepunkt von Edimotion, dem Festival für Filmschnitt und Montagekunst, markiert, erzählte die diesjährige Ehrenpreisträgerin Patricia Rommel in einem Werkstattgespräch im Filmhaus von ihrem langjährigen und erfolgreichen Schaffen. Die international anerkannte und gefragte Editorin verbindet eine lange Geschichte mit dem Festival. Denn bei der ersten Vergabe der Schnittpreise, die 1999 noch im Rahmen des Kinofestes Lünen stattfand, gehörte Patricia Rommel der prominent besetzten Jury an. Sechs Jahre später konnte sie den Schnitt-Preis dann selbst in Empfang nehmen. Er wurde ihr für den besten Schnitt bei einem Spielfilm für Hendrik Hölzemanns Langfilmdebüt „Kammerflimmern“ verliehen. Anlass genug, den mittlerweile zwanzig Jahre alten Film dem traditionellen Werkstattgespräch mit dem oder der EhrenpreisträgerIn Schnitt voranzustellen. Für den erkrankten Moderator, den Sektionsleiter Ehrenpreis Sven Ilgner, sprang am Montagmorgen kurzfristig Oliver Baumgarten ein, den mit Patricia Rommel eine langjährige Freundschaft verbindet. Er gehörte 1999 zu den Organisatoren der Schnittpreis-Verleihung und ist einer der Gründerväter des mittlerweile Edimotion betitelten Festivals. Wie das Publikum attestierte, hat „Kammerflimmern“ in all den Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt, was nicht zuletzt auch an seinem sehr dynamischen und einfallsreichen Schnitt liegen dürfte, der heute noch genauso modern und aktuell wirkt wie vor 20 Jahren, als der Film erstmals über die Leinwände flimmerte.


Ehrenpreisträgerin Schnitt 2025 Patricia Rommel, Foto: Frank Brenner

Empfindsamkeit sichtbar machen

Einige Details zur Entstehungszeit waren Patricia Rommel mittlerweile entfallen, aber sie konnte sich noch gut daran erinnern, dass es anstrengende Schnitt-Zeiten mit vielen Überstunden waren, weil der ambitionierte Debütregisseur Hendrik Hölzemann auch eine Unmenge an belichtetem Material geliefert hatte. Wie die von Matthias Schweighöfer gespielte Hauptfigur hatte auch Hölzemann zuvor als Rettungssanitäter in Köln gearbeitet. Aufgrund des harten Jobs des Protagonisten musste auch der Film selbst hart werden. „Aber er ist nicht hoffnungslos, denn da gibt es ja auch noch die Liebesgeschichte“, so Editorin Rommel. Sie mochte es damals sehr, die unterschiedlichen Ebenen des Films, die aus realen, fast dokumentarischen Aufnahmen, aus Tag- und Nachtträumen sowie aus Bildern eines Drogenrauschs bestehen, mit einer elliptischen und fragmentarischen Montage zusammenzubringen. Auch die verschiedenen Rhythmuswechsel waren dabei durchaus beabsichtigt. Rommel, die „Kammerflimmern“ als einen ihrer Lieblingsfilme, den sie geschnitten hat, bezeichnet, wies im Gespräch mit Oliver Baumgarten auch darauf hin, dass hier „die Geschichte eines empfindsamen Menschen erzählt wird, der schon sehr viel mit kurzen Blicken aufnimmt.“ Dies habe ihr beim Schnitt die Möglichkeit gegeben, für Bruchteile von Sekunden kleine Schnipsel einzubauen, die diese Empfindsamkeit für das Publikum visualisieren helfen. Die düstere Vision des Erstlingsregisseurs sollte ursprünglich mit dem Tod des Protagonisten enden, diese Version fiel beim Testscreening aber durch. Da ein alternatives Ende nie gedreht worden war, musste Patricia Rommel im Schnitt aus dem vorhandenen Material einen hoffnungsvolleren und optimistischeren Schluss basteln, was ihr auf brillante Weise gelungen ist.


Oliver Baumgarten befragt Patricia Rommel, Foto: Frank Brenner

Arbeiten mit Debütfilmern

Aus Zeitgründen verzichtete man auf das Einspielen einiger weiterer Filmszenen aus dem Œuvre Rommels und plauderte stattdessen locker über ihren weiteren Karriereweg. Baumgarten fiel auf, dass sie dabei sehr häufig mit Debütfilmern zusammengearbeitet hatte, neben Hölzemann auch mit Caroline Link („Jenseits der Stille“, Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film), Florian Henckel von Donnersmarck („Das Leben der Anderen“, Oscar als bester ausländischer Film) und Angelina Jolie („In the Land of Blood and Honey“). Rommel selbst war diese Häufung noch gar nicht richtig bewusstgeworden. Sie meinte aber dazu: „Bei Debütfilmern habe ich mehr Freiheit, weil sie eher auf mich hören. Der Austausch mit erfahreneren Kollegen ist etwas härter.“ Der Kontakt zu Angelina Jolie war durch von Donnersmarcks Hollywood-Einstand „The Tourist“ zustande gekommen, in dem Jolie als Schauspielerin dabei war. Als Jolie dann ihr Regiedebüt plante, kontaktierte sie Patricia Rommel via Email und bat sie, den Schnitt am Film zu übernehmen. Jolie sei ein sehr netter Mensch mit dem Herz am richtigen Fleck. Die Zusammenarbeit funktionierte so gut, dass die beiden noch drei weitere Filme zusammen realisierten. Beim Filmgespräch erwähnte Rommel darüber hinaus, dass sie Schauspieler liebe und deswegen im Schnitt besonders darum bemüht sei, sie auf der Leinwand gut aussehen zu lassen. „Manchmal schneide ich einen einzigen Satz aus drei verschiedenen Szenen zusammen, um das Beste herauszuholen“, ergänzte die Editorin. Bei historischen Stoffen geht sie sogar so weit, dass sie sich in die Thematik einliest und recherchiert, damit am Ende alles echt wirke und die Figuren eine Seele bekämen. Dieses unermüdliche Engagement für ihren Beruf und für Film im Allgemeinen wird nun zurecht mit dem Ehrenpreis Schnitt von Edimotion prämiert.

Frank Brenner

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