J. Gatsby ist nicht da. Er wird sich auch nicht zeigen. Sein Name reicht als Synonym für Reichtum, Ansehen, Neid, Mythen. In Anlehnung an F. Scott Fitzgeralds Erzählung „Der große Gatsby“ lässt das Kollektiv Spiegelberg im Klub Berlin die 1920er Jahre weiterleben, deren Zeitgeist Parallelen zur Gegenwart aufweist: Politische Wirren, Wirtschaftskrisen, Demagogen. Mittendrin unzählige Jedermanns auf der Suche nach neuen Träumen. Ebenso wie die Abwesenheit des Protagonisten finden die Gäste in der Lokalität keine klassische Bühne vor. Das Spielfeld der Hoffnungen und Enttäuschungen, dann wieder Hoffnungen, zeigt sich überall: An der Bar, im Foyer, im Saal. Diese Party darf gerne ausschweifen. Die Simulation gelingt. Schnell verflüchtigt sich die Distanz zwischen Darsteller:innen und Zuschauer:innen, werden vertrauliche Bande geknüpft, wird das Szenario um weitere Figuren erweitert.
Neben der Story um den auf Jungmillionär Gatsby eifersüchtigen Möchtegern-Dandy Tom Buchanan sowie dessen „entliebten“ Gattin Daisy erschafft das Kollektiv durch direkte Ansprache neue Erzählstoffe in der Geschichte, die die Anwesenden in einen Sog aus Begierde und Euphorie zieht. Bei Musik, Tanz und Drinks traut sich bald das enthemmte Ego ins Abendlicht. Wer sein Leben nicht zelebriert, ist bereits tot. Ein Credo, wie geschaffen für den berauschten Untergang. Ein tragischer Zwischenfall sorgt schließlich für Ernüchterung und die Demaskierung eines Ideals, dessen Lebensmotto in drei blutenden Lettern auf allen Gliedern prangt: ICH!
P.S.: Gäste können sich am Dresscode der 20er Jahre orientieren.
Gatsby nach F. Scott Fitzgerald | 27., 28.10., 10.,12., 24., 25.11. 19.30 Uhr | Klub Berlin | Tickets: www.weristspiegelberg.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Verschwinden eines Menschen
„Aufgelöst“ am Rudolfplatz – Theater am Rhein 10/22
Das Ich als Projektion
„Fassaden“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 08/22
„Ich liebe antizyklische Prozesse!“
Andrea Bleikamp über die Freie Theaterzene – Interview 07/22
Animation der Maschine
„Motorchestra“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 06/13
A little more action
„Elvis Has Left the Building“ im Keller – Theater am Rhein 06/13
Abschiedsbrief gefunden
Das Junge Theater Bonn mit einem Bestseller von Jay Asher – Theater am Rhein 06/13
Ein fauler Kern bleibt faul
Dennis Kellys „Waisen“ in der Bonner Werkstatt – Theater am Rhein 06/13
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23
„Grenzen überschreiten und andere Communities ins Theater holen“
Sarah Lorenz und Hanna Koller über das Festival Britney X am Schauspiel Köln – Premiere 06/23
An der Grenze von Ernst und Komik
boy:band und Studiobühne Köln: „Clowns“ – Prolog 06/23
„Das Theater muss sich komplexen Themen stellen“
Haiko Pfost über das Impulse Theaterfestival 2023 – Interview 06/23
Für mehr Sichtbarkeit
„Alias“ am Orangerie Theater – Prolog 05/23
Ausgerechnet der Zirkus
Circus Dance Festival in Köln – Festival 05/23
Muss alles anders?
„Alles muss anders“ am FWT – Theater am Rhein 05/23
„Ich sehe mich als Bindeglied zwischen den Generationen“
Melane Nkounkolo über ihre Arbeit als Aktivistin und Künstlerin – Bühne 05/23
„Die Innovationskraft des afrikanischen Kontinents hervorheben“
Martina Gockel-Frank und Dr. Clemens Greiner über die „European Conference on African Studies“ – Interview 05/23
Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23
Neues Bild von Afrika
African Futures Cologne 2023 bietet ein reichhaltiges Programm – Prolog 05/23
„Wir können in Köln viel bewegen“
African Futures-Projektleiterin Glenda Obermuller – Interview 05/23
Erziehung zur Empathielosigkeit
„Das große Heft…“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 05/23
Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23
Angst als kreativer Faktor
Das Sommerblut Kulturfestival 2023 beschäftigt sich mit Angst – Premiere 05/23
„Aufhören, Wunden zu schlagen“
Direktoren des africologneFestivals im Interview – Interview 05/23
Dankbar für ein großes Lebenswerk
Nachruf auf Andreas Meyer – Bühne 04/23
Raum für Weichheit
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Prolog 04/23