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Foto: Ana Lukenda

Von Un-, Zu- und Glücksfällen

30. April 2025

„Dosenfleisch“ am Schauspiel Köln – Prolog 05/25

Immer in Bewegung, immer unter Termindruck, immer im Stress: Rund 237 Milliarden Kilometer legen Menschen pro Jahr allein auf deutschen Autobahnen zurück, als kleine Rädchen im Getriebe der Wirtschaft auf den (vermeintlichen) Förderbändern des Wohlstands. Oder anders gesagt als „Dosenfleisch“ – so der Titel eines Stücks von Ferdinand Schmalz, das das Schauspiel Köln jetzt auf seine kleinste Bühne bringt, die Grotte. „Dosenfleisch“, so bezeichnet die ehemalige Schauspielerin Jayne im Stück die Autofahrerinnen und Autofahrer, die ständig an ihr vorbeirasen. Einst gehörte sie auch zu ihnen, bis zu einem Unfall, der ihr einen Ausweg aus dem Hamsterrad und gleichzeitig eine neue Perspektive bot. Ein Glücksfall. Oder? Auf jeden Fall zieht es sie seitdem immer wieder zur Raststätte von Beate, wo auch ein Fernfahrer und ein Versicherungsangestellter ausharren – ersterer gezwungenermaßen, letzterer in hoffnungsvoller Erwartung, immerhin ist die Autobahn an dieser Stelle ein Unfall-Hotspot. Alles nur ein Zufall? Oder steckt mehr dahinter?

„Im Grunde ist das Stück ein Thriller“, erklärt Regisseurin Lidia Polito, „aber gleichzeitig ist es eine Erzählung über die Auswüchse des Kapitalismus. Die Autobahn ist das Symbol für den ständigen Fluss von Waren, der keinesfalls unterbrochen werden darf – und Jayne und die anderen sind gewissermaßen Aussteiger.“ Oder auch Opfer des Systems. „Die Figuren haben allesamt etwas Typologisches“, so Polito. „So wie der Fernfahrer, der sich eigentlich keine Pause leisten kann, geht es schließlich auch vielen Angestellten.“

Was genau ihm und den anderen in den rund 70 Minuten des Stücks passiert, soll ein Geheimnis bleiben. Es dürfte aber spannend werden, auch sprachlich. „Ferdinand Schmalz hat einen ganz besonderen Zugang zur Sprache, weil er darin ständig nach Verbindungen sucht“, betont Polito, die „Dosenfleisch“ ganz bewusst in der Grotte inszeniert, jenem künstlichen Hügel, der aus drei zusammengeschobenen Frachtcontainern besteht. „Bei den Aufführungen sind wir alle im wahrsten Sinne des Wortes Dosenfleisch“, sagt die Regisseurin lachend. Wenn auch ohne Unfall. Hoffentlich.

Dosenfleisch | 3., 6., 16., 27.5. je 20 Uhr | Schauspiel Köln, Grotte | 0221 22 12 84 00

Thomas Kölsch

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