Treffen sich zwei Elvisse in der Kneipe. Eigentlich sind die beiden Imitatoren, die – trotz Haartollen, aber mangels Ähnlichkeiten – gerade beim Doppelgänger-Casting eines Privatsenders scheiterten. Der eine, Schauspieler, tröstet den anderen, Inhaber der Schänke, dass es auf derartige Äußerlichkeiten in Wahrheit nicht ankomme. Nach dem Motto „nachempfinden, nicht nachäffen“ probiert der Wirt also spontan – und ziemlich gelungen – den Lindenberg („Cello“), der Profi stimmt in Helge-Schneider-Manier ein. Weil alles so gut klappt, wird eine ebenso beknackte wie sympathische Idee geboren: Guerilla-Aktionen, bei denen die Herren in der Rolle von Stars flashmobartig an relevanten Orten auftreten und so deren Liedchen in einen politischen Kontext rücken. Als Elton John auf dem Roten Platz „I'm Still Standing“ gegen Homophobie singen, während des NSU-Prozesses vor dem Bundesverfassungsgericht „Wünsch Dir was“ von den Toten Hosen intonieren oder Mario Barth Grönemeyers „Männer“ entgegenschleudern – das schlägt Wellen, kommt an und animiert sogar Nina Hagen zum Trittbrettfahren.
Die durchgeknallte Geschichte, die Iris Matzen (Text und Regie) für die Uraufführung im Theater der Keller erfunden hat, dient freilich in erster Linie als Rahmen für eine Nummernrevue. Das Konzept ist dramaturgisch dünn und zeigt gewisse Anlaufschwierigkeiten. Getreu der später dargebotenen Elvis-Forderung „a little less conversation, a little more action please“ gewinnt der Abend jedoch an Fahrt, je weniger bloß geredet und je mehr gesungen, getanzt und herumgealbert wird. Das erwartet man von einer selbsternannten „testosteronbeladenen Doppelgängerkomödie“, das können die beiden Darsteller wirklich ausgezeichnet. Frank Maier und Hagen Range sind so in Fahrt, dass der Schweiß in Strömen fließt und auch das Publikum zunehmend in Wallung gerät. Neun Songs werden in dem gut eine Stunde kurzen Stück geschmettert, die Qualität variiert. Knaller sind Maiers Campino-Imitation und Ranges Westernhagen-Röhre oder das Blues-Brothers-Finale. Zwei sympathische Komödianten in einer heiteren Show, die sich gut zum musikalischen Vorglühen an einem Abend mit geplanten Partyaktivitäten eignet.
„Elvis Has Left the Building“ von Iris Matzen | R: Iris Matzen | Theater der Keller | 4.-9.6. 20 Uhr | www.theater-der-keller.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Präsenz einer Abwesenden
„3 Schwestern“ von schmitz + möbus kollektiv – Theater am Rhein 08/22
Das Ich als Projektion
„Fassaden“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 08/22
Toda und der Traum vom Leben
disdance project, Theater d. Keller
„Ich liebe antizyklische Prozesse!“
Andrea Bleikamp über die Freie Theaterzene – Interview 07/22
„Vertrauen Sie Ihrer Hysterie!“
Emanuel Tandler inszeniert „Die Hysteriker“ am Theater der Keller – Auftritt 04/22
Reich und depressiv
„Rettet den Kapitalismus“ – Theater am Rhein 02/22
Wüten will gelernt sein
„Rage“ am Theater der Keller – Bühne 01/22
Maskulines Gebaren
„Late night who“ in der Orangerie – Theater am Rhein 07/22
Making Of
Nö Theater widmet sich Molière – Theater am Rhein 07/22
Dem Wahn verfallen
„Lenz“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 07/22
Radikale Illusion
„Amphitryon“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/22
Delegierter Kampf
„Zeit für Entscheidung“ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 06/22
Subversive Mörderin
„Richard drei“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/22
Ballett des Zorns
„Wut im Bauch“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 05/22
Kein Entkommen
„Mölln 92/22“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 05/22
Kurzer Prozess
Zuckmayers Drama am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 05/22
Kriechend durch das aufrechte Leben
„Die gelbe Tapete“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/22
Geometrie der Liebe
„Eltern outta space“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 04/22
Trauerspiel in zwei Akten
„Nein zum Geld“ am Theater am Dom – Theater am Rhein 04/22
Präfaschistische Atmo
Filmklassiker im nö theater – Theater am Rhein 03/22
Die Naturgewalt Mensch
„Stürmen“ am Theater im Ballsaal – Theater am Rhein 03/22
Was vom Leben übrig bleibt
„Die Frau, die gegen Türen rannte“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 03/22
Lust am Untergang
„Anthropos, Tyrann (Ödipus)“ am FWT – Theater am Rhein 03/22