Musikautomaten gehören untrennbar zur Musikgeschichte. Schon seit der Antike basteln die Menschen an der Mechanisierung der Klangerzeugung herum, haben diverse Maschinen von Glockenspielen in Uhren über Spieldosen und Orchestrien bis zum Welte „Mignon“-Klavier konstruiert. Jasper Diekamps „Motorchestra“ steht also in einer langen Tradition. Im Keller der Studiobühne, der Schmiede, ist ein hexagonaler Tisch aufgebaut, in dessen Zentrum sich eine Achse mit Zahnrädern dreht, die sechs Motorradketten antreiben. Diese sind mit allerlei kleinen Haken, Stiften und Magneten versehen und laufen an selbstgebauten Instrumenten vorbei. Das können Spraydosen oder mechanische Klöppel sein, ein federndes Pendel oder eine Membran; die dabei entstehenden Geräusche werden entweder direkt abgenommen oder durch Effektgeräte bearbeitet. Sie geben den Rhythmusteppich vor, über dem Peter Protschka an Trompete und Flügelhorn und Hannes Wöhrle am Saxophon und an den Tasten dann improvisieren – was meist nach einer Mischung zwischen Deep House, Dub und Kenny Wheeler klingt.
Jasper Diekamp ist Absolvent der Kunsthochschule für Medien im Fachbereich Medienkunst und interessiert sich für die Verknüpfung unterschiedlicher ästhetischer Genres. Er hat das Bühnenbild zu „Amnesie National“ gestaltet oder zuvor mit der kinetischen Installation „Monolog of two machines“ den LAB-Award in Augsburg gewonnen. Das performative Element bei „Motorchestra“ bleibt zunächst eher schmal. Wenn allerdings Diekamp und Sven Mause zwischen den Tracks die Maschine umbauen, dann sieht das schon ein bisschen nach Jungs und Fischer-Technik aus. Nichtsdestotrotz kann man sich der Wirkung nicht entziehen: In der Sichtbarkeit der mechanischen Bewegung erhält sich ein Moment einer nicht erklärbaren Animation. Man denkt an Jean Tinguelys kinetische Skulpturen oder an Ray Eames‘ „Do Nothing Machine“. Hinzu kommt, dass auf zwei Leinwänden die Maschine in Makroaufnahmen, blauen Farbräuschen oder wilden Überblendungen Science Fiction-artig inszeniert wird.
Über drei Songs verfügt die Combo bisher, bis zum Juni dürften es noch ein paar mehr werden. Dann muss sich Diekamp allerdings auch etwas einfallen lassen, wie seine Maschine auch im großen Stall der Studiobühne funktioniert.
„Motorchestra“ von Jasper Diekamp | Studiobühne| 7.-9.6. 20 Uhr | www.studiobuehne.uni-koeln.de
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