Wenn man an den Broadway denkt, denkt man unwillkürlich an Musicals. Dabei gibt es abseits der großen Bühnen im New Yorker Theaterdistrikt den Off-Broadway, wo von modernen Dramen über Boulevard-Komödien bis hin zu Klassikern ein breites Repertoire angeboten wird – oft besetzt mit Film- und TV-Ikonen oder aufstrebenden Stars, die den Sprung an den Broadway oder nach Hollywood schaffen wollen.
Mit seinem vielfältigen Programm ist das Kleine Theater Bad Godesberg so etwas wie ein deutscher Ableger des Off-Broadway – passend also, dass es sich nun einem seiner erfolgreichen Autoren und Stücke widmet: John Patrick Shanleys „Zweifel“.
Obwohl das Stück in den 1960er Jahren im New Yorker Stadtteil Bronx an einer katholischen Schule spielt, die erstmals einen schwarzen Schüler aufgenommen hat, ist „Zweifel“ noch immer aktuell: Die despotische Schulleiterin Schwester Aloysius (Anna Bergmann) schürt nach einigen unüberlegten Äußerungen der naiven Novizin James (Lorena Krüger) den Verdacht, der reformfreudige Pater Flynn (Frank Oppermann) würde jenen Schüler missbrauchen. Als die Mutter (Vanessa Holley) des Jungen dessen Homosexualität andeutet, wird der Verdacht zur „Wahrheit“: Zweifel, wie sie Flynn einfordert, sind nicht mehr angebracht.
So entwickelt sich ein spannendes Katz- und Mausspiel zwischen Nonne und Pater. Anna Bergmann lässt bei Aloysius, für die „Zufriedenheit ein Laster“ ist und das Weihnachtslied „Frosty, The Snowman“ an Ketzerei grenzt, trotz ihres inquisitorischen Verhaltens auch immer wieder berührende, ambivalente Seiten durchscheinen. Frank Oppermann flechtet einen hintersinnigen Humor in das von ihm perfekt beherrschte Spiel mit den Gefühlen des Zuschauers ein, wenn er mit seinen überlangen Fingernägeln kokettiert. Irgendwann ertappt man sich dabei, dass man selbst ins Zweifeln gerät. Vanessa Holley besteht ihr verbales „Duell“ mit Anna Bergmann durchaus auf Augenhöhe, während Lorena Krüger ihre schauspielerisch leichtgewichtigere Ausbildung als Musicaldarstellerin bisweilen noch im Wege steht. Regisseur Dustin Smailes führt das Ensemble mit sicherer Hand durch das schnörkellose Bühnenbild von Burkhard Klein und die sowohl nachdenklich stimmende wie unterhaltsame Geschichte, die sich jeder einfachen Antwort verweigert.
Zweifel | 15., 16., 17., 18., 21., 24., 25., 26., 27., 28.5. | Kleines Theater Bad Godesberg | kleinestheater.eu
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der Gesang der Pilze
„Nano Operas“ im Konzertkeller 647FM – Theater am Rhein 06/23
The Great Fuck You!
„Gatsby“ im Klub Berlin – Theater am Rhein 10/22
Verschwinden eines Menschen
„Aufgelöst“ am Rudolfplatz – Theater am Rhein 10/22
Das Ich als Projektion
„Fassaden“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 08/22
„Ich liebe antizyklische Prozesse!“
Andrea Bleikamp über die Freie Theaterzene – Interview 07/22
Animation der Maschine
„Motorchestra“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 06/13
A little more action
„Elvis Has Left the Building“ im Keller – Theater am Rhein 06/13
Abschiedsbrief gefunden
Das Junge Theater Bonn mit einem Bestseller von Jay Asher – Theater am Rhein 06/13
Ein fauler Kern bleibt faul
Dennis Kellys „Waisen“ in der Bonner Werkstatt – Theater am Rhein 06/13
Getanzter Privilegiencheck
Flies&Tales zeigen „Criminal Pleasure“ am Orangerie Theater – Prolog 09/24
Die Erfindung der Wahrheit
NN Theater Köln mit „Peer Gynt“ im Friedenspark – Auftritt 09/24
„Wir wollen Rituale kreieren“
Regisseur Daniel Schüßler über „Save the planet – kill yourself“ in Köln – Premiere 09/24
Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24
Der Witz und das Unheimliche
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Prolog 08/24
„Draußen geht viel mehr als man denkt“
Schauspielerin Irene Schwarz über „Peer Gynt“ beim NN Theater Freiluftfestival – Premiere 08/24
Feder statt Abrissbirne
„Fem:me“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 07/24
Zum Schweigen gezwungen
Heinrich Bölls „Frauen vor Flusslandschaft“ in Bonn – Auftritt 07/24
Der Untergang
„Liquid“ von Wehr51 – Theater am Rhein 07/24
„Familie ist immer ein Thema“
Regisseur Rafael Sanchez und Dramaturgin Sibylle Dudek über die Spielzeit 2024/25 am Schauspiel Köln – Premiere 07/24
Alles über Füchse
„Foxx“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 07/24
Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24
Gefährlicher Nonsens
Kabarettist Uli Masuth mit „Lügen und andere Wahrheiten“ in Köln – Theater am Rhein 07/24
Freiheit und Gewalt
„Pain Club“ vom TT-Theater im Studio Trafique – Prolog 06/24
Kleider machen Räume
„Dressing the City und mein Kopf ist ein Hemd #02“ von Angie Hiesl + Roland Kaiser in Köln – Theater am Rhein 06/24
Vergessene Frauen
„Heureka!“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 06/24