Es gibt 3 Beiträge von Llenschen
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14.04.2003
Elia Suleimans David lacht nicht, wenn er Goliath mit der Steinschleuder bedroht und doch verleiten die Angriffe des Protagonisten gelegentlich zum Lachen, so ernst ihr Hintergrund doch offenbar ist. Die steinernen, unbeweglichen Gesichter innerhalb dieses Films fallen auf. Die Lage – die Wirklichkeit – ist ernst. Es gibt nichts zu lachen. In Wirklichkeit kann man sich der, auch vom Autor des Films selbst erlebten Angriffe der Israelis nicht mit Pfirsichkernen und Arafat-Luftballons erwehren. Die hier geschilderten Versuche einer Gegenwehr entsprechen den Träumen und Wünschen eines Unterdrückten, der mit unbeweglichem Gesicht täglich der Willkür der Soldaten an der Grenze zwischen Ramallah und Jerusalem zusehen muss. Vor dem Hintergrund ist auch die fast an ein Musical erinnernde Schusswechsel-Szene zu sehen – Israelitische Kämpfer von einem Amerikaner dirigiert, von einer mystisch verklärten, gar an einen Christus erinnernden Frauenfigur beherrscht. Angriffe, Verhaftungen, Anschläge schildern gleichzeitig die Alltäglichkeit und Gewöhnung an Gewalt. Hin und her gerissen zwischen seiner Liebe zu einer Frau aus Ramallah und der Verantwortung für seinen in Jerusalem lebenden Vater kann er sich nur zwischen den Grenzen mit ihr Treffen und nur heimlich, ja kaum sichtbar, seiner Liebe Ausdruck verleihen. Wo Gewalt herrscht, setzt Suleiman Fantasie dagegen. Der Symbole und untergründigen Anspielungen gibt es viele.
Für Cineasten, die es lieben, nicht einfach durch Bilder bedient und berieselt zu werden - für Kinogänger - die emotionale Gratwanderungen mögen – für jene, die das Denken beim Filmschauen nicht abschalten, perfekt! Jedes einzelne Bild, jede einzelne Sequenz für sich setzt Maßstäbe. Reingehen!
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28.03.2003
Ein Mann bewegt sich sein liebes, langes Leben in leerer und doch so oft angetroffener Mittelmäßigkeit, weil es muss, weil Mann es so macht, weil ein Mann ein Haus kauft, einen Baum pflanzt... und seine Familie versorgt. Schmidt ist einer der sich fügt, der sich anpasst, ordentlich und konservativ kleidet, die Eintönigkeit seines Daseins hasst und gleichzeitig die Sicherheit und vermeintliche Geborgenheit schätzt. Was er sich wünscht, ist Anerkennung, Respekt und vor allem Liebe. Emotional verarmt, Gefühle kontrolliert und wenig kommunikativ scheint ihm Anpassung und Zurückhaltung das einzig adäquate Mittel zur Erreichung diesen Ziels. Doch Schmidt wird noch weniger wahrgenommen als vorher, erscheint als hilfloses, einsames Wesen, das nicht in der Lage ist, zu kommunizieren und Emotionen zu zeigen. Seine Umwelt reagiert beim Tod seiner Frau mit Floskeln und leeren Inhalten auf den Verlust, hat wenig wahren Trost für ihn und auch hier lehnt er sich nicht auf, zeigt seinen Schmerz kaum in den beantwortenden Dankesfloskeln, nicht einmal gegenüber seiner Tochter. Seine Umwelt, eher Spiegelbild als Gegensatz zu ihm, ignoriert seinen Verfall und seine Hilflosigkeit nach dem Verlust seiner Frau, wie er es beinahe selbst tut. Auch wird noch einmal klar, er selbst liebt sich nicht, erkennt er doch selbst am eigenen Körper nur die eigene Unvollkommenheit und den zukünftigen, berechenbaren Verfall. Den unbeholfenen und doch so üblichen Liebesbeweis gegenüber seiner Tochter tätigt er durch regelmäßige Schecks, verwert ihr jedoch schon als Kind die viel effektivere Aufmerksamkeit und Zuneigung. Ihre Frage, warum er sich „erst jetzt“ für sie interessiere, lässt ihn verwundert und betroffen zurück. Nun wird er – wie metaphorisch durch die verschlossene Tür symbolisiert, die sich nach dem Gespräch mit ihr zeigt – aus ihrem Leben ausgesperrt. Zu helfen weiß er sich nicht. Als Brautvater auf der Hochzeit ist wieder nur Anpassung und Konfliktvermeidung der Versuch, Versöhnung und Liebe zu erreichen. Dass auch seine Frau seine Liebe nicht wahrgenommen hat, unter der emotionalen Armut litt, beweisen von ihr versteckte Liebesbriefe seines besten Freundes, die ihn noch immer nicht nachdenken, sondern zunächst wütend werden lassen, glaubte er doch, dass sie es war, die ihn nicht verstand. Ihre Gewohnheiten – alle eher kommunikativer als zurückhaltender Art – verwirrten seine Philosophie der Zurückhaltung.
Doch haben Sicherheit, Anerkennung im Job und die Emsigkeit einer für ihn sorgenden Frau bisher
das Manko innerhalb seines Lebens, die unpassende Methode zur Erlangung von Liebesfähigkeit, verschleiert, so führt der Verlust dieser Eckpfeiler zum Neuanfang.....zunächst recht wackelig, auf Basis des bisher erlernten, nie geänderten Habitus. Er flüchtet, wird zum Nomaden – Heimatlosen im Wohnmobil und reist nach Denver, um vermeintlich seiner Tochter, die sich nicht um ihn kümmern will, bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen. Die hat von ihm gelernt und gibt sich eingespannt im
Beruf, ablehnend und emotional beinahe so verkümmert wie er. Kollisionen mit freundlichen Fremden, die seine Sehnsüchte verständlicherweise fehlinterpretieren müssen, führen immer in die selbe Sackgasse. Sie reden auf ihn ein ohne dass er in der Lage wäre, dem entsprechendes entgegen zu setzen. Er schweigt oder kann kaum in Worte fassen, was ihn bewegt. Alles Lust- und Genussvolle macht ihm Angst. So verursacht das Wasserbett ihm Rückenschmerzen, die üppige, so gar nicht konfliktscheue, ganz anders verblendete Schwiegermutter macht ihm in ihrer Offenheit und Fleischeslust Angst. Er versteckt sich eifrig hinter seiner Maske, kontrolliert weiterhin Gefühl und Tun. Während seiner Reise gibt es immer wieder Ansätze zur Veränderung, verzweifelte Versuche, seinem Leben "einen Sinn" zu geben, ohne zu begreifen, dass der Sinn des Lebens das Leben selbst ist. Nur in Briefen an sein Patenkind Ngudu erlaubt er sich gelegentlich Ausfälle oder Formulierungen der Welt, wie er sie sich wünscht. Hier verarbeitet er, zeigt seine Ambivalenz von Schutz und Innerstem. Hier spricht er, hier überwindet er seine Ängste zusehends, wenn auch nicht letztendlich und erst nahe der Resignation eröffnet ihm ein Brief der betreuenden Kinderschwester des Jungen, dass die Briefe, nicht die gesendeten Schecks, das persönliche Wort, der Schlüssel sind. Er begreift. So hätte es sein können. Und zum ersten Mal weint er. Der langen Worte kurzer Schluss:
Ein berückender, durchaus tiefgründiger Film, bei dem sich zweimal Hinschauen lohnt! Ein fantastischer Jack Nicholson, eine genial zotige Kathy Bates. Ein Film, den man entweder nur an der Oberfläche oder in seiner Tiefe wahrnehmen kann - unterhaltsam, aber auch mehr als das.
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Das Leben ist schön
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Märchenhafte Vaterliebe
15.04.2003
Kann man mit dem Thema Holocaust humoristisch verfahren? Benignis "Das Leben ist schön" beweist, man kann - bei aller Ambivalenz, die bleibt. Eine einzigartige Art, mit diesem Thema zu verfahren, ohne dem Leiden die Brisanz zu nehmen. Der quirlige Schauspieler und enthousiastische Regisseur wechselt zwischen beißendem und leichtem Humor, Spott, märchenhaften Sequenzen, bedrückenden Ansichten, den Themen (Vater-)Liebe, Fantasie, untergründiger Gewalt, und Tod. Manchmal lacht man herzhaft, manchmal berührt, manchmal bleibt einem das Lachen im Halse stecken.... Da fährt er als Halbjude nach einem Unfall, die Überreste des Grüns am Wagen hängend, in ein Dorf hinein und wird jubelnd begrüßt, da man ihn für den erwarteten Mussolini hält. Der wird wenig später von der Menge nur mißtrauisch beäugt. Da rettet er seine Prinzessin nicht auf dem vielgerühmten Schimmel, sondern auf einem von Judenhassern bemalten Ross. Da bleiben die unbeweglichen und ungläubigen Gesichter der Mitgefangenen im KZ, die immer wieder daran erinnern, dass das alles eben doch kein Spiel ist. Sein Sohn Giosue glaubt dem Vater die fantastische Geschichte vom Geburtstagsausflug zu einem Wettbewerb, an dessen Ende man einen echten Panzer gewinnt. In der Realität wäre die Angst und Aufnahmefähigkeit eines Kindes sicher facettenhafter und selbst dem Vater gegenüber mißtrauischer geprägt. Guidos Vaterliebe ist einzigartig und märchenhaft. Seine Liebe zu seiner Frau ebenso. Die einfache – vielleicht etwas zu einfache – aber bezaubernde Aussage des Films ist: Liebe und Fantasie überwinden Katastrophen und machen Leben in guten und schlechten Zeiten reich. Benigni verniedlicht nicht den Schrecken, dazu gibt es zuviele Sequenzen, die darauf hinweisen. Seien es der im Nebel entdeckte Leichenberg, die Mitgefangenen oder die Ignoranz des selektierenden Arztes, der angesichts der Umstände endgültig dem Rätselwahn verfällt. Selbst sein Protagonist überlebt den Aufenthalt im KZ nicht. Er stellt aber alles andere als die Wirklichkeit dar. Ein idealistischer Film, der einerseits Entzücken, andererseits aber auch eine Menge Fragen zurücklässt.