Mauern riechen nach Tod, Leben, dem Atem von Menschen, die zwischen den Wänden gefangen sind. Esin Eraydin hat mit diesem Duft ihre Lungen gefüllt. Die türkische Schauspielerin bekannte sich offen zum Widerstand gegen das Erdogan-Regime und wurde mehrfach verhaftet. Zur Flucht gezwungen, fand sie 2019 in Köln eine neue Heimat. In einem Monolog mit den Despoten der Welt gewährt die Humanistin in der neuen Produktion des disdance projects Einblicke in die verwüsteten Landschaften ihrer Seele. Auge in Auge mit ihren Richtern verweigert die Darstellerin die Kapitulation ihres Geistes, auf dessen brüchige Wälle der Wahn ihrer Peiniger unablässlich tropft.
In einer multimedialen Inszenierung erweitert Regisseur André Lehnert die Ausmaße versuchter Willensbrechung in nicht enden wollende Räume ohne Ausgang. Als Ebenbild einer gescheiterten göttlichen Schöpfung begegnet sich die Protagonisten als Schattenwesen und imaginierte Projektion an den nackten Steinen des Ehrenfelder Bunkers selbst und muss lernen, sich in ihrem Menschsein zu ertragen. In die Düsternis hineingeträumte Zeilen von Rainer Maria Rilke, Jack Kerouac, Sarah M. Rendel, Sabahattin Ali sowie die geisterhaften Erscheinungen einer Tänzerin (Paula Scherf) verdichten die Sehnsucht nach dem Ende eines Märtyriums, das keine Gerechtigkeit, aber Erlösung bringen könnte. Im Zentrum ihrer Hölle findet die Erzählerin unvermutet Frieden in der Gewissheit unbeugsamer Kunst. Bis heute soll sich Esin Eraydins Name auf einer schwarzen Liste des türkischen Staates befinden. Der Premiere wohnten neben dem Publikum auch Personenschützer bei.
Brennen – Monodialog mit Diktator | 18.11. 16 Uhr, 19.11. 16 & 20 Uhr, 20., 23., 24., 25.11. je 20 Uhr, 26.11. 16 & 20 Uhr, 27.11. 20 Uhr | Bunker K101 | www.disdanceproject.de
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