Es war einmal ein Waffenproduzent, der wollte voll –, äh, halbautomatische Waffen ins „Land der Schnurrbärtigen“ exportieren. Doch die hiesigen Ministerien hatten Bedenken, in Unruheprovinzen zu liefern. Da bestätigte das „Land der Schnurrbärtigen“ auf Wunsch des Waffenproduzenten, dass die Waffen gerade dort gebraucht würden, wo rundum Ruhe und Frieden herrschten – und daraufhin beglückwünschten sich alle zu dem gelungenen Deal.
So ähnlich steht es in Philipp Löhles Farce „Feuerschlange“, die den Waffenhandel thematisiert. Im Zentrum: Der Waffenproduzent „Lecker und Loch“, unschwer als Heckler und Koch zu entlarven, der bekanntlich gerade in einen abstrusen Streit mit einem ostdeutschen Konkurrenten um einen Auftrag der Bundeswehr verwickelt ist. Regisseur Tim Mrosek inszeniert diese Farce als Diplominszenierung der Theaterakademie Köln. Das hat nicht nur mit dem aktuellen Thema zu tun. Diplominszenierungen sollten den Absolventen „Möglichkeiten bieten, sich variabel zu zeigen“ und es sollten alle möglichst gleich vertreten sein, so Tim Mrosek. Alle drei Aspekte bedient Löhles „Feuerschlange“ reichlich. Deutschland gehört zu den wichtigsten Waffenproduzenten und -exporteuren weltweit und Heckler und Koch ist ein internationaler Player erster Güte, den Löhle auf wunderbar groteske Weise beim Geschäftemachen zeigt. Sein Stück ist zudem ein gewaltiges Kaleidoskop mit zahlreichen Rollen, das Szenen mit Lecker und Loch und den Bundesministerien neben Szenen aus einem Klassenzimmer oder mit indigenen Göttern stellt – ein szenisches Materiallager mit völlig unterschiedlichen Atmosphären des Grotesken.
„Wir haben gemeinsam eine Dramaturgie erarbeitet“, erzählt Tim Mrosek. Dafür hat das Team viel gelesen, Filme geschaut, Löhles Stück schließlich verdichtet, und zusätzliches Eigenmaterial wie eine Rahmenhandlung oder Gesangseinlagen entwickelt. Mrosek, der seine Stücke gerne aus dem leeren Bühnenraum entstehen lässt, ließ sich aber auch verführen: „Man kommt auf sehr filmische Ideen“. Deshalb stapeln sich beispielsweise die Requisiten auf der Bühne. Waffen sind übrigens auch darunter. Materialschlachten kennt bekanntlich nicht nur der Krieg, sondern auch das Theater.
Feuerschlange | R: Tim Mrosek | 11.-15.1. 20 Uhr | Orangerie Theater | 0221 952 27 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Stupende Aktualität
„Das große Heft“ in der Orangerie – Theater am Rhein 04/23
Harte Realitäten, radikale Utopien
1. ROAR-Festival in der Orangerie – Bühne 03/23
„Kein radikaler Bruch, sondern ein Übergang“
Sarah Youssef über ihre Pläne für das Orangerie Theater – Premiere 02/23
Messias des Kapitals
„Midas / Heimat“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/22
Kurort ohne Dinge
„These are a few of my favourite things“ in der Orangerie – Prolog 11/22
Reflexion oder Reaktion?
Urbäng! Festival mit Sonderausgabe zur Ukraine – Festival 10/22
Brot und Salz
subbotnik mit „Haus/Doma/Fest“ – Theater am Rhein 10/22
Kollektives Kuratieren
Festival Theaterszene Europa – Prolog 09/22
„Ich liebe antizyklische Prozesse!“
Andrea Bleikamp über die Freie Theaterzene – Interview 07/22
Maskulines Gebaren
„Late night who“ in der Orangerie – Theater am Rhein 07/22
Delegierter Kampf
„Zeit für Entscheidung“ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 06/22
„Humor funktioniert als Machtmittel“
Sophie und Thalia Killer über die Erhöhung des männlichen Late Night Hosts – Premiere 06/22
„Das Theater muss sich komplexen Themen stellen“
Haiko Pfost über das Impulse Theaterfestival 2023 – Interview 06/23
An der Grenze von Ernst und Komik
boy:band und Studiobühne Köln: „Clowns“ – Prolog 06/23
„Grenzen überschreiten und andere Communities ins Theater holen“
Sarah Lorenz und Hanna Koller über das Festival Britney X am Schauspiel Köln – Premiere 06/23
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23
Muss alles anders?
„Alles muss anders“ am FWT – Theater am Rhein 05/23
Ausgerechnet der Zirkus
Circus Dance Festival in Köln – Festival 05/23
Für mehr Sichtbarkeit
„Alias“ am Orangerie Theater – Prolog 05/23
„Ich sehe mich als Bindeglied zwischen den Generationen“
Melane Nkounkolo über ihre Arbeit als Aktivistin und Künstlerin – Bühne 05/23
„Die Innovationskraft des afrikanischen Kontinents hervorheben“
Martina Gockel-Frank und Dr. Clemens Greiner über die „European Conference on African Studies“ – Interview 05/23
„Wir können in Köln viel bewegen“
African Futures-Projektleiterin Glenda Obermuller – Interview 05/23
Neues Bild von Afrika
African Futures Cologne 2023 bietet ein reichhaltiges Programm – Prolog 05/23
Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23
Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23