Wald- und Wiesenstücke haben derzeit einen unschlagbaren Vorteil: Die Aerosol-Verteilung ist sichergestellt. Das Bonner fringe ensemble und das Theater Marabu laden deshalb für ihre Performance „B free“ in den Bonner Kottenforst. Da wird in Erdlöchern in die Tasten gegriffen und an Bäumen werden bittere Tränen zum Akkordeon vergossen. Frösche und Eber huschen durch die Szenerie, Bilderrahmen mit Trompeter hängen aus dem Geäst – die beiden Ensembles haben sich mit Bonner Bürgern verstärkt und für ihr Partizipationsprojekt zudem den Schweizer Komponisten und Musiker Daniel Ott gewonnen, der die Münchner Biennale leitet.
Auch wenn Wälder virenfrei sein mögen, kann der Tod doch hinter jedem Baum lauern. 9 nach Christus schlug der Cheruskerfürst Hermann im legendären Teutoburger Wald den römischen Feldherrn Varus vernichtend und metzelte dessen Legionen gnadenlos nieder. Henrich von Kleist hat daraus das Drama „Die Hermannschlacht“ gemacht, mit Hilfe dessen er gegen den Einmarsch französischer Truppen unter Napoleon protestieren wollte. Man darf sicher sein, dass Regisseur Oliver Frljic in dem Drama mehr entdecken wird als den antiimperialistischen Schmachtfetzen eines Befreiungskriegs. Aus heutiger Sicht verbindet sich in Hermann der Guerillero mit einem gnadenlosen Intriganten und machtgierigen Populisten, der sein Volk rassistisch aufhetzt gegen den vermeintlich barbarischen Feind.
An der frischen Luft treffen sich auch die beiden heruntergekommenen Protagonisten Wladimir und Estragon aus „Warten auf Godot“. „Landstraße. Ein Baum. Abend“ lautet die erste Szenenanweisung in Samuel Becketts Stück. Klingt gesund, doch die Protagonisten hängen auch ohne Corona irgendwie in der Warteschleife fest. Wie immer man diesen Klassiker interpretiert, existenzialistisch, zivilisationskritisch, sozialistisch oder als Résistance-Geschichte – Beckett erlebt derzeit eine kleine Renaissance, allerdings weniger aus inhaltlichen Gründen, sondern weil seine kleinen Besetzungen besonders coronatauglich sind.
„B free“ | ab 21.8. | Bonner Kottenforst | 0228 50 20 10
„Warten auf Godot“ | ab 4.9. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
„Die Hermannschlacht“ | ab 5.9. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
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