Der Abschied war nur ein Datum von vielen. Irgendwann im Juli-Spielplan. Kleine Party. Danach folgten die Termine der nächsten Spielzeit. Fast 50 Jahre Theater der Keller in der Kleingedankstraße sind ad acta gelegt, jetzt wird in der Tanzfaktur in der Siegburger Straße gespielt. Unsentimental, pragmatisch, sachlich.
Zum Auftakt holt Heinz Simon Keller das Köln der 20er und 30er Jahre auf die Bühne: Irmgard Keuns Roman „Gilgi / Keun – Eine von uns“ erzählt die Geschichte einer dieser neusachlichen jungen Frauen der Weimarer Republik, die ehrgeizig sind, Tiefschläge wegstecken und mit klaren Vorstellungen ihren Weg gehen. Dass Gilgi unehelich geboren wurde, erfährt sie, als sie 21 wird. Ihre Liebe zum Künstler Martin strandet an der Unvereinbarkeit der Lebensvorstellungen. Und so packt sie ihren Koffer und macht sich auf den Weg. Ihren Weg. Heinz Simon Keller inszeniert nicht nur den Roman, sondern lässt Gilgi ihrer Autorin Irmgard Keun begegnen.
Als zweite Premiere bringt das Theater der Keller Janne Tellers berühmten Jugendroman „Nichts: Was wichtig ist im Leben“ auf die Bühne. In diesem umstrittenen Kultbuch der dänischen Autorin macht sich Pierre Anthon mit seinem grenzenlosen Nihilismus über die Träume seiner Mitschüler lustig. Die allerdings starten ein ungewöhnliches Projekt: Den „Berg aus Bedeutung“, für den jeder schwere Opfer bringen muss. Ein Muslim opfert seinen Gebetsteppich, einem Gitarristen wird der Zeigefinger abgeschnitten, ein Mädchen opfert ihre Unschuld. Exzesse, die Sinn und Bedeutung des Lebens beglaubigen sollen.
Das Theater Bonn setzt auch in der neuen Spielzeit seine Zusammenarbeit mit Regisseur Sascha Hawemann fort. „Vor Sonnenaufgang“, Gerhart Hauptmanns legendäres Dramen-Debüt von 1889, markierte den Durchbruch des Naturalismus. 2017 hat der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer, das Stück überschrieben und lässt zwei Studienfreunde, den linken Journalisten Loth und den rechtspopulistischen Hoffmann aufeinandertreffen. Beide geraten in heftigen Streit. Hoffmanns Frau ist hochschwanger, der Vater ist Alkoholiker. Alle ringen um eine Perspektive in einer Nacht, nach der am nächsten Morgen die Sonne erbarmungslos wieder aufgehen und die Verhältnisse in all ihrer Drastik enthüllen wird.
„Gilgi / Keun – Eine von uns“ | ab 26.9. | Theater der Keller | 0221 31 80 59
„Nichts“ | ab 10.10. | Theater der Keller | 0221 31 80 59
„Vor Sonnenaufgang“ | ab 2.10. | Theater Bonn | 0228 77 80 08
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