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„Don Juan kommt aus dem Krieg“
Foto: Projects & Projecteurs

Schwerer Schwerenöter

28. April 2016

Horváths „Don Juan“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 05/16

Don Juan, gespielt von gleich drei Herren (Thomas Durieux, Michael Morreton und Pierre Gérardin) kehrt aus dem Krieg zurück in eine Welt, die sich im Umbruch befindet. Die alten Eliten werden erst von der Revolution hinweggefegt, um später als Inflationsgewinner doch oben zu schwimmen. Der Krieg und seine Wirtschaft brachten es aber auch mit sich, dass Frauen freier sind und gelernt haben, ihr Leben ohne Männer zu bestreiten. Sie haben ein neues Selbstbewusstsein, rauchen Zigaretten aus ellenlangen Spitzen, hören Charleston und Swing, tragen Paillettenkleider, Federboas und raffinierte Kopfbedeckungen. Dennoch hat das Weibsvolk nur noch Augen für diesen Don Juan im abgewetzten Militärmantel und mit vom Trommelfeuer verfinstertem Blick. „Was ist das, was mich zu dir zieht?“, fragt eine verliebte Vermieterin den Kriegsheimkehrer. „Es ist nichts“, antwortet der. Ödön von Horváths Don Juan geht alles Heroische ab. Er ist nicht wie seine Wiedergänger bei Mozart oder Molière auf der Pirsch. Nein, sein Don Juan „wird den Frauen nicht entrinnen“, wie der Autor in der Vorrede zu seinem Theaterstück von 1936 schreibt. Er kann sie beleidigen und demütigen, sie liegen ihm trotzdem zu Füßen. Er wiederum erkennt in ihnen nur seine frühere Verlobte, die er verzweifelt sucht. Sie hat seine Briefe nicht beantwortet. Was das Publikum weiß, Don Juan aber nicht: Sie ist bereits 1915 gestorben.

Es ist ein dunkles, schweres Drama, das sich die deutsch-französische Theatergruppe der Universität, Projects & Projecteurs, zur Brust genommen hatte. Leider haben sich die Amateure, die seit sieben Jahren Stücke erarbeiten, an „Don Juan kommt aus dem Krieg“ völlig verhoben. Leider stimmte in der Inszenierung sehr wenig. Die Szenen wurden brav hintereinander weggespielt. Es fehlte vor allem an Zugriff und Dynamik. Dass beispielsweise Don Juan von gleich drei Männern gespielt wird, wird an keiner Stelle thematisiert oder begründet. Dass Szenen mal auf Französisch, mal auf Deutsch gesprochen werden, ist hingegen witzig und charmant – dennoch ist der Sprachwechsel beliebig, weil ihm jede inhaltliche Anbindung fehlt. Wirklich gelungen sind nur die Kostüme.

„Don Juan kommt aus dem Krieg“ | R: Pierre Gérardin | keine weiteren Termine | Studiobühne Köln | 0221 470 4513

Bernhard Krebs

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