In den 27 Jahren ihres Bestehens sind die Internationalen Stummfilmtage Bonn zu einer beständigen Größe für filmhistorische Belange geworden. Möglich ist das durch die stetige und intensive Auseinandersetzung der Veranstalter und Kuratoren mit ihrem Thema. Doch seit das Festival im letzten Jahr von Haushaltskürzungen bedroht wurde, ist die Euphorie der Initiatoren ein wenig bedeckt. Zwar wurden die angedrohten Kürzungen für 2011 schließlich nicht realisiert, die Stummfilmtage sollten am 11. August eröffnen. Doch dann drohten hintenrum doch wieder Kürzungen. Dieses Mal wurde dem Veranstalter der Stummfilmtage, dem Förderverein Filmkultur Bonn eine Kürzung der Gelder um 20 Prozent angedroht. Der Verein kümmert sich nicht nur um die Stummfilmtage sondern ist ganz allgemein in Bonn für die Vermittlung von Filmgeschichte präsent: mit Schulvorstellungen, Jugendarbeit und einem renommierten Filmarchiv. Der Kulturausschuss sprach sich auch hier wieder gegen den Kürzungsvorschlag der Verwaltung aus – der Rat muss dem aber noch zustimmen. Dann wäre die Finanzierung des Festivals zumindest bis 2012 gesichert.
Guckt man sich das Programm der diesjährigen Ausgabe an, scheint es, als habe die äußere Bedrohung neue Kräfte freigesetzt. Denn neben dem wie immer ambitionierten Filmprogramm findet in diesem Jahr erstmals ein zweitägiges Symposium zum Filmfestival statt. Passend zum Schwerpunkt „Japan“ werden am 17. und 18. August in der Aula der Universität Bonn die „Deutsch-Japanischen Filmbeziehungen“ diskutiert. Eingeladen sind sowohl deutsche als auch japanische Experten. Das vom 11. bis 21. August abendlich im Arkadenhof der Universität Bonn präsentierte Filmprogramm wird ebenfalls einige japanische Filme zeigen. Der Kölner ist mit dem Filmprogramm des Japanischen Kulturinstituts ja recht verwöhnt, aber auch die Japanologen unter den Cineasten werden hier vielleicht noch Neues entdecken können. „Shingung – Vorwärts“ ist ein Fliegerfilm von 1930, dessen Kriegsszenen zum Ende hin immer surrealer werden. Mit „Japanische Mädchen am Hafen“ von 1933 ist auch ein recht später Stummfilm zu sehen. In Japan hat sich der Stummfilm aus kulturellen Gründen tatsächlich wesentlich länger als in anderen Ländern – teils bis Ende der 30er Jahre – halten können. Denn die Filmerzähler waren in Japan äußerst beliebt. Neben dem japanischen Schwerpunkt sind bekannte Meisterwerke wie Buster Keatons Slapstick-Komödie „Verflixte Gastfreundschaft“ zu sehen oder auch ungewöhnliche Filme wie „Der glückliche Tod“ von 1924, der in seiner Satire auf den Kulturbetrieb eine komplette Zeichentricksequenz einbaut, wie es Tarantino in „Kill Bill“ 80 Jahre später machen sollte. Ein Experimentalfilm wie Hans Richters „Rennsymphonie“ von 1928 findet im Vorprogramm Platz.
Die 27. Stummfilmtage bringen eine weitere Neuerung: Erstmals wird ein mit 1.500 Euro dotierter Preis für die beste musikalische Begleitung und außerdem ein Publikumspreis in Höhe von 500 Euro vergeben. Die Leistung der Musiker, die jeden der gezeigten Filme musikalisch untermalen, kann kaum genug gewürdigt werden. Wer danach noch nicht genug Open Air-Kino genössen hat, kann bei den Filmnächten weiter seinen Filmdurst löschen. Vom 29.8. bis 7.9. werden auf dem überdachten Museumsplatz zwischen der Kunst- und Ausstellungshalle und dem Kunstmuseum einige Arthauserfolge der letzten Monate gezeigt.
Internationale Stummfilmtage – 27. Bonner Sommerkino
Arkadenhof der Bonner Universität (Eingang An der Schloßkirche), 11.-21.8. I 0228 47 85 68, Eintritt frei
Das Programm:
Do. 11.8.:
21.00: Schatten, die vorüberziehen (1924)
Fr. 12.8.:
21.00: Familienskandal (1924)
22.30: Vanina - Die Galgenhochzeit (1922)
Sa. 13.8.:
21.00: Verflixte Gastfreundschaft (1925)
22.30: Der Nagel im Stiefel (1931)
So. 14.8.:
21.00: Algol. Tragödie der Macht (1920)
Mo. 15.8.:
21.00: Der glückliche Tod (1924)
Di. 16.8.:
21.00: Japanische Mädchen am Hafen (1933)
Mi. 17.8.:
21.00: Vorwärts! (1930)
Do. 18.8.:
21.00: Achtung! Kriminalpolizei! (1929)
Fr. 19.8.:
21.00: Weltstadt in Flegeljahren (1931)
22.30: Wara Wara (1930)
Sa. 20.8.:
21.00: Fräulein, bitte Anschluss! (1927)
22.30: Lohnbuchhalter Kremke (1930)
So. 21.8.:
21.00: Anita Garvin & Marion Byron Comedies (1929)
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