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Drei Jahre vor Metropolis entstanden: „Die Reise zum Mars“
Foto: Förderverein Filmkultur Bonn e.V.

Alt, aber nicht verstaubt

27. Juli 2017

Die Internationalen Bonner Stummfilmtage – Festival 08/17

Vor einigen Jahrzehnten konnte man im Fernsehen noch regelmäßig Stummfilme sehen. Nicht nur die actionreichen Slapstick-Klassiker von Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd oder Laurel & Hardy, um nur die bekanntesten zu nennen, sondern auch expressionistische Meisterwerke aus der Weimarer Republik, als deutsche Filme zur Avantgarde gehörten und zugleich als Genrefilm Blockbuster-Qualitäten haben konnten. Ebenso konnte man die Filme der russischen Avantgarde von Dziga Vertov und Sergei Eisenstein sehen oder die Monumental-Epen des Amerikaners D. W. Griffith. Lange ist es her, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seinen Bildungsauftrag so gewissenhaft erfüllte, und so kann man sich nur noch auf solche Festivals wie die Internationalen Stummfilmtage in Bonn, das mit rund 25.000 jährlichen Besuchern eines der größten Festivals seiner Art in Deutschland ist, verlassen und hoffen, dass es noch lange seine liebevolle Form der Filmbildung praktiziert. Wie in jedem Jahr werden die oft aufwändig restaurierten Filme, die bei freiem Eintritt im Arkadenhof der Bonner Universität open air gezeigt werden, von Musikern live begleitet.

In diesem Jahr steht das Programm unter dem Titel „Beethoven und Frankenstein, Flapper Girl und Femme Fatale“. Dass Beethoven hier, in seiner Geburtsstadt, einen Auftritt als Stummfilmstar erleben darf, ist nur angebracht. Fritz Kortner spielte 1927 in dem nach dem Musiker betitelten österreichischen Film den Komponisten. Frankenstein, nicht minder Populärkultur als Beethoven, taucht als Weltpremiere der restaurierten Fassung in der überhaupt allerersten filmischen Adaption von Mary Shelleys Romans in dem 16-minütigen Film von J. Searle Dawley aus dem Jahr 1910 auf, als Hauptfilm wird die legendäre schwedische … wir nennen es mal: Dokufiction ... „Hexen“ von 1922 gezeigt. Aber was ist nun das Flapper Girl? Sie ist der Prototyp der modernen jungen Frau. In den 20er Jahren tritt sie selbstbewusst und selbstständig auf, hört Jazz, tanzt in Bars, raucht und trinkt in der Öffentlichkeit, schminkt sich und gibt sich sogar erotischen Gelüsten hin. In „Eine Frau von Welt“ von 1925 sehen wir Pola Negri eher schon als Femme Fatale.

Das Festival zeigt mit Kurzfilmen von Charlie Chaplin und Buster Keaton oder Abenteuerfilmen wie „Die eiserne Maske“ noch heute beeindruckende Hits der damaligen Zeit, bietet aber auch Gelegenheit für Neuentdeckungen. So kann man mit „Labor‘s Love“ den ersten erhaltenen chinesischen Stummfilm sehen. Oder „Elisso“ von Nikolos Schengelaja, einem georgischen Meisterwerk aus dem Jahr 1928, das die russische Montagekunst mit grandiosen Landschaftsaufnahmen verbindet. Und „Großstadt-Zigeuner“ ist ein selten gezeigter Dokumentarkurzfilm des Bauhaus-Künstlers László Moholy-Nagy, der am Rande Berlins lebende Sinti und Roma beobachtet. Der russische Film „Die Reise zum Mars“ aus dem Jahr 1924 ist ein beeindruckendes Beispiel für avantgardistisches Genrekino. Die kubistisch-expressionistischen Dekors wurden seinerzeit von Avantgardekünstlern gestaltet. Mit „Alices Hühnerfarm“ ist sogar ein Animationsfilm im Programm – ein Frühwerk von Walt Disney aus dem Jahr 1925. Stumm und schwarzweiß sind die Filme alle, aber das ist auch die einzige Gemeinsamkeit innerhalb dieses abwechslungsreichen Programms mit 26 Kurz- und Langfilmen und diversen Vorträgen zum Thema.

33. Internationale Stummfilmtage – Bonner Sommerkino | 10.-20.8. | Open Air im Arkadenhof der Universität Bonn | www.foerderverein-filmkultur.de

Das Langfilm-Programm:

Do. 10.8.:
21:00: Die kleine Veronika (live begleitet von Joachim Bärenz)

Fr. 11.8.:
21:00: Der Untergang des Hauses Usher (live begleitet von Joachim Bärenz)
22:30: Eine Frau von Welt (live begleitet von Neil Brand)

Sa. 12.8.:
21:00: Beethoven (live begleitet von Richard Siedhoff)
22:30: Die Nacht vor dem Verrat (live begleitet von Neil Brand)

So. 13.8.:
21:00: Der Adjutant des Zaren (live begleitet von Neil Brand)

Mo. 14.8.:
21:00: Die Reise zum Mars (live begleitet von Richard Siedhoff u. Mykyta Siero)

Di. 15.8.:
21:00: Pfirsichhaut (live begleitet von Richard Siedhoff)

Mi. 16.8.:
21:00: Hexen (live begleitet von Stephen Horne)

Do. 17.8.:
21:00: Elisso (live begleitet von Günter A. Buchwald u. Frank Bockius)

Fr. 18.8.:
21:00: Wie man sich in Tokio benimmt (live begleitet von Günter A. Buchwald)
22:30: Branding Broadway (live begleitet von Stephen Horne u. Frank Bockius)

Sa. 19.8.:
21:00: Buster Keaton in Nöten (live begleitet von Stephen Horne u. Frank Bockius)
22:30: Sünden der Liebe (live begleitet von Günter A. Buchwald)

So. 20.8.:
21:00: Die eiserne Maske (Originalsoundtrack)

Christian Meyer-Pröpstl

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