„Die Stummfilmtage finden statt!“ Was mit Ausnahme einiger Jahre der finanziellen Engpässe seit 1985 für eine Selbstverständlichkeit gehalten wird, wird aktuell vom Team der Internationalen Stummfilmtage in Bonn groß gefeiert. Kein Wunder: Unzählige Filmfestivals sind wie so viele andere Kulturveranstaltungen seit Mitte März ersatzlos ausgefallen. Einige, wie die Oberhausener Kurzfilmtage, haben sich in die digitale Welt gerettet, andere, wie das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln, haben den Termin in den Herbst geschoben. Das Internationale Stummfilmfestival in Bonn ist das erste Festival der Region, das im August wie geplant stattfinden kann, und das fast in der seit Jahren bekannten Form.
Die Anzahl der Plätze im Arkadenhof der Universität Bonn muss natürlich in diesem Jahr auf 500 Personen beschränkt bleiben. Nach wie vor gilt: Eintritt ist um 20 Uhr, die Vorführungen beginnen nach einem Rahmenprogramm um 21.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Neu ist – und da zeigt sich wieder einmal die Kreativität der Kultur- und Filmbranche und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen – alle Filme werden am Tag nach der Vorführung im Arkadenhof über die Webseite des Festivals für 48 Stunden online zur Verfügung gestellt – inklusive der mitgeschnittenen Filmmusikbegleitung! Mit ausgewählten Gästen und den Musikern, die die Filmaufführungen begleiten, gibt es in diesem Jahr außerdem kurze Festivaltalks zu den Filmen, die dann ebenfalls online zu sehen sein werden. Nicht nur wegen dieses Mehraufwands und der geringeren Sitzplatzkapazitäten freut sich das Festival in diesem Jahr besonders über Spenden der Zuschauer.
Das Herzstück des Festivals sind natürlich nach wie vor die täglich stattfindenden Filmvorführungen im schönen Ambiente des Arkadenhofs mit Livemusikern, deren Durchführung unter den aktuellen Hygieneregeln durch die Freiluftlocation natürlich begünstigt wird. Hier gibt es wieder sowohl Klassiker als auch Geheimtipps. Letzteres gilt sicher für „Looping the Loop – Die Todesschleife“ von Arthur Robinson aus dem Jahr 1928. „In seiner Gesamtwirkung von einer Lebendigkeit und einem Abwechslungsreichtum, die mitreißen … spannend und hochinteressant zugleich ...“, schrieb die zeitgenössische Kritik über diesen heute fast vergessenen deutschen Zirkusfilm. Auch „Duck Soup“ von 1927 (1930 neuverfilmt) war bis in die 70er Jahre fast unbekannt. Nicht jedoch die beiden Hauptdarsteller Laurel & Hardy, die in dem 22-Minüter das erste Mal gemeinsam vor der Kamera standen. Zu Recht sehr bekannt und bis heute ein Klassiker ist Buster Keatons „College“ („Der Student“) aus dem gleichen Jahr, in dem der schmächtige Keaton versucht, den „Sportidioten“ (nach Salingers Holden Caulfield) Paroli zu bieten, um so seine Angebetete zu umwerben. Mit – na klar – Erfolg! „Die verfluchte Mühle“ („Le Moulin maudit“) aus dem Jahr 1909 ist der älteste Film, der im Arkadenhof gezeigt wird, mit „Sturm über Asien“ ist ein zweieinhalb-stündiger russischer Monumentalfilm von Pudovkin zu sehen und mit „Der Student von Prag“ von 1926 mit Conrad Veidt neben vielen anderen Stummfilmschätzen das vielleicht erste Remake der Filmgeschichte...
Das Programm der ersten Woche:
Do. 6.8.:
21:30: Ost und West (live vertont von Mykyta Sierov und Richard Siedhoff)
Fr. 7.8.:
21:30: Looping the Loop - Die Todesschleife (live vertont von Mykyta Sierov und Richard Siedhoff)
Sa. 8.8.:
21:30: Geld! Geld! Geld! (live vertont von Wolfgang Fernow und Günter A. Buchwald)
So. 9.8.:
21:30: Die Mälarpiraten (live vertont von Günter A. Buchwald)
Mo. 10.8.:
21:30: Mädchen am Kreuz (live vertont von Richard Siedhoff)
Di. 11.8.:
21:30: Wolf Lowry (live vertont von Günter A. Buchwald und Neil Brand). Im Vorprogramm: Hände hoch
Mi. 12.8.:
21:30: Der Student (live vertont von Neil Brand). Im Vorprogramm: Leichte Beute
Do. 13.8.:
21:30: Der Student von Prag (live vertont von Stephen Horne)
Fr. 14.8:
21:30: Das Phantom des Moulin Rouge (live vertont von Elizabeth Jane Baldry und Stephen Horne)
Sa. 15.8.:
21:30: Sturm über Asien (live vertont von Stephen Horne)
So. 16.8.:
21:30: Verflucht sei der Krieg (live vertont von Sabrina Zimmermann und Mark Pogolski). Im Vorprogramm: Die verfluchte Mühle
36. Internationale Stummfilmtage – Bonner Sommerkino | 6.8. - 16.8 | Arkadenhof der Universität Bonn | www.internationale-stummfilmtage.de | 0228 47 85 68
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Musik macht’s
Komponist Wilfried Kaets präsentiert „Nosferatu“ – Konzert 11/19
Klassiker und Obskuritäten - Internationale Stummfilmtage Bonn
Die Internationalen Stummfilmtage hinterfragen Rollenbilder – Festival 08/19
„Der politische Kampf spiegelt sich auch im Kino“
Kristina Jaspers über „Kino der Moderne“ in der Bundeskunsthalle – Interview 01/19
Künstlerischer Reigen von dokumentarischem Wert
Internationale Stummfilmtage zeigen überraschend moderne Werke – Festival 08/18
Kino um 1900
Bonner Stummfilmtage: Kino, wie Kafka es gesehen hat – Festival 08/17
Alt, aber nicht verstaubt
Die Internationalen Bonner Stummfilmtage – Festival 08/17
Strafe oder Barmherzigkeit?
Stummfilmklassiker mit deutschen Untertiteln im Japanischen Kulturinstitut – Kino 01/17
Ciao Cinema
Italien-Filmfest „Verso Sud“ online – Festival 03/21
Quer durch alle Genres
Japanisches Kulturinstitut mit Onlinefilmfestival – Festival 02/21
„Standpunkte benennen, Perspektiven formulieren“
Wie die LaDOC-Konferenz Netz<>Werk 2021 zum Handeln ermuntern will – Festival 03/21
Ein besonderer Tag
choices-Preis für „Land of Glory“ – Festival 11/20
Kurz und schnell
Trotz Lockdown: Das Kurzfilmfestival Köln zeigt aktuelle Filme mit Gegenwartsbezug – Festival 11/20
Hoch lebe die europäische Filmkunst!
Am 10.1. ist der nächste European Arthouse Cinema Day – Festival 11/20
Edimotion mit Verlängerung
Schnitt Preise 2020 vergeben – Festival 11/20
Großes Kino aus Köln
„Vatersland“ und „Kids Run“ beim Film Festival Cologne – Festival 10/20
Musik für Bilder – Bilder für Musik
Musikfilmfestival See the Sound zeigt Spiel- und Dokumentarfilme – Festival 10/20
Nach 20 Jahren ein Cut
Zum Jubiläum wird aus dem „Filmplus“-Festival „Edimotion“ – Festival 10/20
Identität, Kunstfreiheit und feministischer Porno
Frauenfilmfestival zeigte Filme von, mit und für Frauen, Queere und Neugierige – Festival 09/20
Kleine, aber sehr feine Filmauswahl
Afrika Film Tage ersetzen in diesem Jahr das Afrika Film Festival – Festival 09/20
Filmische Freiräume!
Internationales Frauenfilmfestival zeigt Vielfalt – Festival 09/20
Tanz auf der Leinwand
Beim dreitägigen Kölner Tanzfilmfestival Moovy – Festival 08/20
Auf der Kino-Couch
Kölner Kino Nächte: Couchsurfing, Morricone und Jóhann Jóhannsson – Festival 07/20
Endlich wieder Kino!
Dank der Öffnung der Kinos können auch die Kölner Kino Nächte stattfinden – Festival 07/20
Kannste dir nicht ausdenken…
Neue Nachrichten aus einer verrückten Welt – Festival 02/20
Preise für die Kurzen
Preisverleihung des KFFK im Filmforum – Festival 11/19