Es muss in einem ähnlich heißen Sommer wie in diesem Jahr gewesen sein. Anita Ferraris, die damalige Regisseurin und spätere Intendantin des Theater der Keller spazierte durch den Volksgarten und entdeckte dieses verwunschene weiße Backsteingebäude. Beim Blick durch die großen Fenster stellte sie fest, dass dort alles leer war, in der Orangerie haben die Pflanzen im Sommer bekanntlich Ausgang. Und da man in Kölns Freier Szene schon immer händeringend nach Aufführungsorten suchte, wurde die Orangerie schon bald halbjährig zum Theater.
Das war 1990, seither zählt sie zu den festen Adressen in Kölns Theaterlandschaft, obwohl man immer so knapp mit dem Geld war, dass die Fenster im Herbst klapperten und das Publikum im Winter nur im Mantel den Aufführungen beiwohnen konnte. Inzwischen hat sich viel geändert. Seit 2007 erhält das Haus Konzeptionsförderung und seit 2012 wird es von dem ehrgeizigen Marko Berger geführt, der selbst aus der Theaterbranche kommt. Durch das Dach regnet es nicht mehr, die Fenster sind isoliert, im Winter ist es mollig warm und über das Jahr hinweg wird an 160 Abenden gespielt, bei einer stolzen Auslastung von rund 80 Prozent. Das Theater erhält 150.000 Euro Förderung und finanziert sich zu einem Teil auch über Vermietungen für Hochzeitsfeiern. Das charmant in die Jahre gekommene Gebäude und sein Gartenareal sind eine heiß begehrte Location für Paare, die ihre Hochzeit unter freiem Himmel feiern möchten. An die 400 Anfragen erhält Marko Berger im Jahr für solche Anlässe.
Bespielt wird die Orangerie von 25 Freien Gruppen und Netzwerken. Darunter renommierte Ensembles wie Futur3, Rosie Ulrichs theater-51grad, Manuel Mosers c.t.201 oder Stephanie Thierschs Gruppe Mouvoir. Dreimal wurden hier die Kölner Tanz- und Theaterpreise gewonnen, hinzu kommen ein Dutzend Nominierungen seit 2013. Marko Berger verrät lachend, dass es unter so vielen Theaterleuten auch schon einmal kracht, aber Streit gehört für ihn zum Metier. Wo Reibung stattfindet, sind auch Spitzenleistungen möglich. Ein Aspekt, der für Berger im Kreise des Publikums seine Fortsetzung finden soll. Nach den Aufführungen wird im Garten des Theaters bei einem Kölsch über die Kunst diskutiert. Die Lage der Orangerie ist ideal, auch weil der Keller und das Freie Werkstatt Theater nur einen Steinwurf entfernt liegen. Mit letzterem wird man in Zukunft Kooperationen eingehen.
Auch wenn sich die Bühne künstlerisch und finanziell gut macht, bleibt der altersschwache Theaterkörper ein Problem. Eine Sanierung steht an. Ein Jahr Komplettschließung beutete nach Bergers Ansicht „den sicheren Tod für das Haus“. Deshalb will man über fünf Jahre hinweg jeweils in den Sommermonaten schließen. Eine gute Lösung, denn die Orangerie bringt mit ihren Formaten, die Theater, Tanz und Performance miteinander verschmelzen, eine besondere Farbe in die weitverzweigte Theaterlandschaft der Domstadt. Freuen darf man sich derzeit auf die neue Produktion „Gehirne“ (Premiere 20. September) des ungarischen Choreografen Kristóf Szabó, die sich genau in diesem Dreiklang bewegt. Und im Oktober gibt es zum zweiten Mal das das Urbäng!-Festival der performativen Künste, dessen Besetzung hochkarätige internationale Künstler verspricht.
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