Mit Max fing alles an. Sein Seitensprung löste die Revolution aus, die die patriarchale Herrschaft beendete und die männliche Spezies empfindlich dezimierte. Der Schmerz darüber hält sich allerdings in Grenzen. „Gewalt ist keine Lösung, aber ein Anfang“, konstatiert Vivian guillotinistisch-pragmatisch. Sie feiert das Massaker und preist vor allem die Stille nach dem Tod. Doch wie Regina und Vicky leidet auch sie an einer postrevolutionären Belastungsstörung. Zwischen Gummi-Einhörnern, weißen Mäusen und Äpfeln begibt sich das Trio infernal der feministischen Revolte (Raphaela Kiczka, Anna Röser, Lisa-Marie Seidel) in die Selbsttherapie: „Wie hat das alles angefangen?“
Regisseurin Silvia Werner baut auf diesen Ausgangspunkt eine Comedy-Revue auf, in der Vivians „Born to be killed“-Position mit Vickys Geschlechtermediation in den Clinch gehen. Ein ironisch-pathetisch-hispanisierender Erotikdialog steht neben Fakten zum Gender Gap in Form einer Stripchoreografie oder dem Plädoyer für die schon seit „Sex in the City“ popularisierte Sologamie (Heirat mit sich selbst). Es gibt Geschlechterklischees, die lohnen eigentlich weder Ironie noch Sarkasmus. Silvia Werner bedient sie trotzdem. Marc-Andree Bartelt darf als Sensibelchen gleich zu Beginn Geschlecht zu einem Gedicht von Keats zeigen, ansonsten bleiben ihm so einfallsreiche Rollen wie der des Latin Lover oder des castorfschen Regiemacho (Frauen können weder Theater noch Fußball). Der dünne Humor von „Vicky Vagina“ lässt aber vor allem jeden Biss vermissen, kein feministischer Tiefschlag in die Weichteile gesellschaftlicher Geschlechterhierarchie. Einfach ein netter Abend – ist ja auch was.
„Vicky Vagina“ | R: Silvia Werner | 20.-24.3. 20 Uhr | Studiobühne Köln | 0221 470 45 13
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