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Entertainer Dave van der Wal bei der Premiere
Foto: Senftöpfchen

Exzentrisches Schlosspersonal

21. Juli 2018

Varietéspektakel „Le château mysterieux“ im Senftöpfchen – Bühne 08/18

„Pass auf, wir wollen Glitzer und Glanz, pass auf, wir wollen alles und ganz: Jetzt laden die Artisten zum Tanz.“ – Schon das rotsamtene Ambiente des Senftöpfchen-Theaters direkt am Dom erinnert an ein mystisches Schloss. LED-Kerzenleuchter flankieren den betischten Empfangssaal des „Château mysterieux“, in welchem das Publikum heute Abend Zuflucht suchen wird. Das düster-bunte Spektakel, irgendwo zwischen „Rocky Horror Picture Show“ und eigenwilligem Jahrmarktklamauk anzusiedeln, lauert schon und beginnt mit Stroboskop-Gewitter. So werden die Gäste zeitgleich mit dem Schutz suchenden Geschwisterpaar, dem Duo HandtoViolin aus Tschechien, von Sänger Dave van der Wal willkommen geheißen. Als transsilvanischer Transvestit führt er uns an einen Ort, wo Dielen knarren, Eisenketten von der Decke hängen und skurrile Charaktere umhergeistern. Kurzum: Wo allerlei Wirrnisse und Wunder geschehen.


Stephan Masur genießt die schönen Seiten des Lebens
Foto: Senftöpfchen

Sieben Absolventen internationaler Zirkusschulen stellen in den folgenden Stunden im rauschartigen Spektakel ihr Können zur Schau. Sie geraten ins Schwitzen und auch mal ins Taumeln. Seit 2005 sind die vom Kölner Stephan Masur produzierten Shows bereits fester Bestandteil im Sommerprogramm des Senftöpfchens. Die 2017 verstorbene Prinzipalin des Senftöpfchens Alexandra Kassen bot damals Masurs Varieté ein einmonatiges Gastspiel auf ihrer Bühne an, das bei Erfolg zu Tradition werden sollte.

13 Jahre, 13 Varietégastspiele später – da sollte man meinen, es käme zu Wiederholungen. Nichts da! Es bleibt unvorhergesehen, es bleibt schrill und schillernd. In dem Konzeptprogramm reiht sich nicht einfach Nummer an Nummer, vielmehr wird der Ablauf des Abends mithilfe von Choreografin Photini Meletiadis und Regisseur David Severins ansprechend und dramaturgisch durchgestylt. So ist das Publikum hautnah dabei, wenn sich die Bewohner und Bediensteten des Schlosses durch ihre eigenwillige Akrobatik und Ästhetik in ihren Charakterrollen vorstellen.


Lisa Chudalla (Rotterdam) an der Kette
Foto: Senftöpfchen

Da gibt es die untote Schöne, Lisa Chudalla, die sich in einem überdimensionalen Single Wheel im gespenstigen Brautkleid durch den Saal dreht, Messer verschluckt und sich an Eisenketten bis unter die Decke schraubt. Da ist der verschrobene Bibliothekar, Christiaan Vandeburgt, der Kartenhäuser aus Büchern baut und sie auf seinem Kinn balanciert. Cigar-Box-Technik vereint sich in diesem nerdig witzigen Act mit klassischer Musik und Mallorca-Techno. Ryunosuke Yamazumi, der als erster Japaner die Zirkusschule in Quebec abschloss, begeistert gleich zweimal. Er trägt eine Anbu-Ninjamaske aus dem Naruto-Universum und vollbringt Erstaunliches an der Chinese Pole und mit riesigen Leuchtbällen. Diese Faszination hat einen Namen und nennt sich Big Ball Juggling. Gleichsam grazil wie stark, anmutig wie animalisch erschüttert das.

Zur allerersten Nummer, einer so gar nicht angestaubten Diabolo-Jonglage, ertönt „People Are Strange“ von The Doors. Der Berliner Malte Strunk lässt die Diabolos windmühlenartig rotieren, frisiert sich durch knotenmutternahe Verrenkungen selbst, mimt komödiantisch und hantiert bravourös – mit unfassbarer Feinmotorik. Das wirkt so leichthändig und spielerisch, dass die dafür aufgebrachte enorme Konzentration hinter dem pantomimischen Ausdruck nahezu verschwindet. Auch die Flummy-Jonglage im zweiten Teil des Abends, der nochmal gehörig an Fahrt gewinnt, katapultiert sich in Hochgeschwindigkeit, während lässig „Neutrons Protons Electrons“ von The Cat Empire erklingt.

Durch dieses absurde Programm führt Produzent Stephan Masur höchstpersönlich mit einer Mischung aus Athletik, Mimenspiel und Altherrenhumor – und, au ja, es gibt sogar einen Mitmachteil.

Nicht jedes Rätsel wird heut Abend gelöst. Etwa wie sich das geheimnisvolle X in den Titel geschlichen hat. Und auch wenn nicht jedes Kunststück gelingt. So scheint die Seifenblasenlauge zum Beispiel nicht ihre optimale Konsistenz erreicht zu haben. Und dennoch: Es bleibt ein begeisternder Eindruck zurück. Und darum geht es ja auch etwas im Zirkus – dass nicht alles genau vorhergesehen werden kann, jede Attraktion ein Wagnis bleibt und das Publikum mitfiebert.

Stephan Masurs Varietéspektakel – Le château mysterieux | Senftöpfchen Theater: bis 11.8., Mi-Sa 20.15 Uhr, So 17 Uhr | 0221 258 10 58 | Pantheon Bonn: 14. - 31.8., Di-Sa 20 Uhr, So 17 Uhr | 0228 21 25 21

Nele Beckmann

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