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Foto: Stefan Mager

Kabarettistischer Denkraum

11. März 2020

Fatih Cevikkollu denkt vor, das Publikum denkt nach – Komikzentrum 03/20

In dem Moment, wo er die Bühne betritt, noch nichts gesagt hat und man nur das Bild auf sich wirken lässt von diesem schwarz-grau-haarigen Mann mittleren Alters mit unverschämt freundlichen und ansteckendem Grinsen, den lässigen Birkenstocks, dem hellblauen Anzug, darunter ein weißes Hemd, an der einen Hand eine auffällige Uhr und an der anderen ein auffällig traditionelles Armband, so könnte man meinen, man sei beim Seminar eines Lifecoach oder Motivationstrainers. Doch statt veralteten Floskeln, vorgekauten Lebensweisheiten und verjährten Kalendersprüchen präsentiert der deutsch-türkische Kabarettist und Schauspieler Fatih Cevikkollu seinen Zuschauern ein kluges und zeitgeistiges Bühnenprogramm mit urkomisch verpackten politischen Inhalten, einer Portion Selbstironie und Denkanstößen, die dem Publikum noch lange in Erinnerung bleiben werden und zum ernsthaften und nachhaltigen Nachdenken anregen.

Vielen bekannt als Schauspieler durch seine Kult-Rolle des Murat in der Sitcom „Alles Atze“, ist der 47-Jährige seit 2005 erfolgreich mit seinen kabarettistischen Soloprogrammen auf Tour. Mit seinem aktuellen Programm „Fatihmorgana“ will Cevikkollu seinen Zuschauern nicht nur politische Problemzustände aufzeigen, sondern sie mit Humor und Direktheit auch ermutigen, Teil einer Lösung zu sein und geht mit bestem Beispiel voran: „Ich distanziere mich zur AfD, ich distanziere mich zu Nazis. Laut sein gegen Rassismus!“

Als Absolvent der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin weiß sich Cevikkollu auf der Bühne zu bewegen, er arbeitet zudem mit seiner unbezahlbaren Mimik, die eine einzigartige nonverbale Komik hervorruft und liebt es, nach politisch unkorrekten - dafür urkomischen - Pointen gekonnt Pausen und Stillen für sich sprechen zu lassen, dass man es im Publikum kaum aushält.

Deutschlands Parteien bekommen durchweg ihr Fett weg: „Wer die FDP wegen Lindner wählt, der wählt auch die Piraten wegen Johnny Depp. Wobei die meisten Parlamentarier haben ohnehin eine Kernkompetenz von Schimpansen.“ Und dann sind da ja noch die „digitalen Eingeborenen und digitalen Migranten. Die Migranten sind in das Zeitalter der Digitalisierung eingewandert. Es kann nur ein Migrant sein, der fragt: Wo ist denn das WLAN-Kabel?“ Der Künstler widmet sich aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen und stellt gerne seine eigenen Thesen in den Raum, wie: „Als das Telefon noch fest war, war der Mensch noch frei. Außerdem gab es am Telefon nicht die Frage: Wo bist du gerade?“

Nicht aus bleibt die Frage, wo die technischen Fortschritte wohl noch hinführen: „Was machen wir, wenn es irgendwann möglich ist, unsere Seele auf eine Festplatte zu spielen? Sind wir dann unsterblich?“ Die Sinnfrage des Lebens schwebt im Raum. An diesem Punkt lacht das Publikum nicht, es zögert mit seiner Reaktion, bis das Schweigen vom Künstler selber gebrochen wird, der am Ende irgendwie erleichternd und mit einer positiven Klarheit feststellt: „Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine ist, der Mensch ist solidarisch, kreativ und emphatisch“ und „Leben ist, solange ich mir selbst genüge.“

Fatih Cevikkollu: Fatihmorgana | 31.3. 20.15 Uhr im Senftöpfchen [ABGESAGT WEGEN CORONA] | 0221 258 10 58 | 14.5. im Pantheon, Bonn | 0228 21 25 21

Marlene Krursel

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