Es war einmal ... kurz nach der „Wende“: Ein Theater in einer viel zu kleinen Bundeshauptstadt – finanziell ausgestattet wie ein Weltstadttheater. Manfred Beilharz hieß von 1991 bis 1997 der letzte Generalintendant, der an den Bonner Bundesstadtbühnen aus dem Vollen schöpfen konnte. Seither läuft der Aderlass: Von 2003 bis 2013 war sich Klaus Weise nicht zu schade das Ausbluten des Theaters zu moderieren, ehe es auch ihm zu bunt wurde bzw. er persönlich genug verdient hatte, um sich vom sinkenden Schiff zu verabschieden. Seither steuern Bernhard Helmich und bis zum Ende der nächsten Spielzeit Nicola Bramkamp künstlerisch sehr engagiert die Geschicke an Bonner Oper, Kammerspielen Bad Godesberg und dem Schauspielgelände in Bonn-Beuel. Der Zuschuss liegt aktuell bei knapp 20 Millionen Euro pro Jahr und damit bei etwa der Hälfte wie zu Beilharz-Zeiten. Laut mittlerer Finanzplanung soll diese Finanzierung bis 2022 noch mal mehr als halbiert werden – ein Todesstoß. Diesen will sich Schauspieldirektorin Bramkamp nicht weiter mit ansehen und wirft daher zum Ende der nächsten Spielzeit hin: „Der Verlust der Halle Beuel und die stetig fortschreitenden Kürzungen im künstlerischen Bereich haben zur Folge, dass eine Fortführung meines künstlerischen Konzeptes in Zukunft nicht mehr möglich sein wird.“
Ab der Spielzeit 2018/19 wird das Himmelfahrtskommando der bisherige Chefdramaturg Jens Groß übernehmen, der zuvor mit Stefan Bachmann ans Schauspiel Köln gekommen, dann aber bald nach Bonn abgewandert war. Neben den massiven Kürzungen hat sich in Bonn – wie in Köln und Düsseldorf – ein großer Sanierungsbedarf bei Oper und Schauspiel aufgebaut. Im Februar legten Architekten erste Befunde zum baulichen Zustand von Bonner Oper und Kammerspielen vor: Die Architekten schlagen u.a. vor die Kammerspiele 2019 für ein Jahr zu schließen. Damit wäre dann die gesamte Rheinschiene Düsseldorf-Köln-Bonn ohne funktionsfähige Bühnen im Stadtzentrum. Gerade in den Innenstädten entstehen damit immer mehr theater- bzw. kulturfreie Räume, d.h. Konsum-, Event- und Partygehabe wird nichts mehr entgegengesetzt. Ein verheerendes Signal gerade für Jugendliche und junge Erwachsene, die erst gar nicht mehr auf die Idee gebracht werden, sich mit ihren kulturellen Wurzeln und gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinanderzusetzen.
Ein Stück weit sind es aber auch die Theater selber schuld: Der Zuschussbedarf der Kölner Bühnen beträgt in der laufenden Spielzeit 67,7 Millionen Euro. Das ist üppig. Und: Nach den katastrophalen Erfahrungen bei der Kölner Bühnensanierung am Offenbachplatz erfährt man nun, dass auch die auf Synergieeffekte angelegte Zusammenlegung der Werkstätten von WDR und Bühnen Köln in Bocklemünd so nicht funktionieren könne und für die Bühnen dort 24 Millionen Euro teure Werkstätten neu gebaut werden müssten. So verspielt auch der Kulturbetrieb die letzten Sympathien für Investitionen in Kulturbauten. Zum Vergleich: Das Comedia Theater in der Kölner Südstadt mit zwei Spielstätten, Büro-, Seminar- und Werkstatträumen wurde durch das Team um Geschäftsführer Klaus Schweizer für ca. 10 Millionen Euro neu erbaut. Ein Super-Schnäppchen gegenüber den obszönen Planungen der Kölner Bühnen.
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