Auch ältere Menschen wollen begehren und begehrt werden, Sexualität als Zuwachs und nicht als Defizit erleben. Doch wie viel Sichtbarkeit hat der älter werdende Körper in der Öffentlichkeit – und wie viel Sinnlichkeit wird ihm zugestanden? Mit der Ambivalenz von Eigen- und Fremdwahrnehmung von Sexualität im Alter befasst sich die Performance „Temptation“ unter künstlerischer Leitung von David Vogel (Regie) und Silke Z. (Choreografie), die als Gemeinschaftsproduktion des Theaterensembles Oldschool des Schauspiels Köln und des Ensembles Silke Z. in den Ehrenfeldstudios entstanden ist. Die Bewegungsmuster sind von den Performer:innen biografisch anhand der „Alphabet-Methode“ entwickelt worden. Unter der Fragestellung „Was finde ich attraktiv?“ haben sie jedem Buchstaben ein Adjektiv und dann jedem dieser Adjektive eine Bewegung zugeordnet.
Nach der Premiere am Schauspielhaus machte „Temptation“ bei der Gastspielreihe Look in den Ehrenfeldstudios Station. Deren intime Atmosphäre passt hervorragend zu einem Stück, das sich mit Scham und Sichtbarkeit auseinandersetzt – auch wenn einige Szenen und Teile der Choreografie für die kleineren Räumlichkeiten abgeändert werden mussten. Zu Beginn der etwa 45-minütigen Performance liegt die Bühne im Halbdunkeln. Schemenhaft sind, hinter Tüchern verborgen und mit dem Rücken zum Publikum stehend, die zehn Performer:innen zu erkennen. Einzelne Personen lösen sich aus der Reihe, bewegen sich zur Musik durch den Raum, mit der Zeit finden sich Paare. Später kommt der Lolli als popkulturelles Symbol für Lust und Begehren ins Spiel. Die Performer:innen lecken betont geräuschvoll, räkeln sich, posieren und spielen mit dem Publikum. Hier könnte der Abend ins Klischeehafte kippen, aber durch den „Comic relief“ (übersetzt: „komische Entlastung“, Anm. d. Red.) gelingt der Balanceakt: „Temptation“ erklärt Humor und Selbstironie zur notwendigen Grundausstattung für eine erfüllte Sexualität auch im höheren Lebensalter. „Ich entdecke auf meiner Lebensbühne die schönste Frau der Welt“, schwärmt eine Performerin – und macht damit Mut zur Neugier auf vielleicht noch weniger bekannte Aspekte von Lust im Alter.
Weitere Termine der Gastspielreihe | Look #2: 20., 21.9. | Look #3: 22., 23.11. |Ehrenfeldstudios, Köln | www.ehrenfeldstudios.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Alles über Füchse
„Foxx“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 07/24
Das Gras wachsen hören
„Grün“ von tanzfuchs – Tanz in NRW 07/23
Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23
Scheitern ist sexy
In den Ehrenfeldstudios trägt man Kunst konkret in die Stadtgesellschaft – Kulturporträt 01/19
Tanzende Säcke
Tanzfuchs verzaubert mit „Papierstück“ junges Publikum – Tanz am Rhein 12/18
Alt und jung
„STILL(here)“ von Silke Z. – Tanz in NRW 11/16
Das Meer in dir
„Aqua@Cycles“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 01/26
Im Hamsterrad des Grauens
„Der Gott des Gemetzels“ am Theater Bonn – Prolog 01/26
„Als säße man in einem flirrenden Zirkuszelt“
Regisseur Sergej Gößner über „Der fabelhafte Die“ am Comedia Theater – Premiere 01/26
Der Tanz der Krähe
„Die Ecke“ in der Alten Wursterei – Auftritt 01/26
Auszeit der Ewigkeit
„Pyrofems“ von Wehr51 im Studio Trafique – Auftritt 12/25
Praktisch plötzlich doof sein
Helge Schneider präsentiert seine neue Tour – Prolog 12/25
„Man spürt den Theatermenschen“
Dirigent Daniel Johannes Mayr über die Bonner Wiederentdeckung der Oper „Die Ameise“ – Premiere 12/25
So verwirrend wie das Leben
„Berlin Alexanderplatz“ am Schauspiel Köln – Prolog 11/25
Verlorene Jahre
„The Drop“ am Jungen Schauspiel in Düsseldorf – Prolog 11/25
Über zwei Ikonen
„Marlene Piaf“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 12/25
„Ein armes Schwein, aber auch ein Täter“
Regisseur Hans Dreher und Schauspielerin Laura Thomas über „Laios“ am Theater im Bauturm – Premiere 11/25
Von der Aufgabe des Denkens
Audiowalk „Jeder stirbt für sich allein“ in Köln – Auftritt 11/25
Gegen sich selbst antreten
„Fünf Minuten Stille“ am Kölner FWT – Theater am Rhein 10/25
Utopie auf dem Rückzug
Bertha von Suttners „Die Waffen nieder“ am Theater Bonn – Prolog 10/25
Muttärr! Oder: Dschungelbuch in Ulm
„Man kann auch in die Höhe fallen“ am Theater Der Keller – Auftritt 10/25
„Wir führen keine Monster vor“
Regisseurin Nicole Nagel über „Aufruhr der Stille #MeTooInceste“ am Orangerie Theater – Premiere 10/25
Die Moralfrage im Warenhaus
„Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ am Schauspiel Köln – Prolog 09/25
Schreib dich frei!
„Botin“ in der Alten Versteigerungshalle auf dem Großmarkt – Theater am Rhein 09/25