Es war die Hoffnung der Kölner Opern- und Schauspielintendanten Birgit Meyer und Stefan Bachmann, im Herbst 2018 ihre renovierten Häuser am Offenbachplatz endlich in Empfang nehmen zu können. Bei der Begehung der Baustelle mit dem seit Mai amtierenden neuen Technischen Betriebsleiter, Bernd Streitberger, wird deutlich: Das wird wieder nichts! Allerfrühestens im Herbst 2019 wird das Gebäudeensemble am Offenbachplatz zur Verfügung stehen. Massiver Pfusch am Bau, der durch kaschierende Deckenverkleidungen auch noch vertuscht werden sollte – das geschlossene Rautenstrauch-Joest-Museum am Neumarkt lässt grüßen – macht eine frühere Inbetriebnahme unmöglich. Die Kosten steigen von geplanten 253 Mio. auf bis zu 460 Mio. Euro. Ein Skandal, vergleichbar dem Berliner Flughafen oder der Hamburger Elbphilharmonie. Immerhin an dieser Stelle zeigt sich Köln weltstädtisch.
Die neugewonnene Transparenz des Betriebsleiters darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Skandal unter Aufsicht der Stadt Köln selber stattgefunden hat. Sie ist in erheblichen Maße mit verantwortlich und hat ihren Bürgern wie ihrem kulturellen Leben damit schweren Schaden zugefügt. Vor diesem Hintergrund sollte man die kritischen Äußerungen der neuen Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker bezüglich eines dringenden Reformbedarfes der eigenen Verwaltung betrachten. Wer könnte dem noch widersprechen, ohne sich lächerlich zu machen? Filter, die eingebaut werden, aber wegen zu geringer Abstände der Maschinen zu Wänden in Zukunft nie getauscht werden könnten – nur ein Beispiel aus der 700 Positionen umfassenden Liste massiver Mängel. Eine vernichtende Anklage an Stadt und Projektleitung.
Mit dem Wissen von heute muss man feststellen, dass die Entscheidung, auf einen Neubau an gleicher Stelle zu verzichten und für den Erhalt der Riphan-Gebäude zu votieren, ein Fehler war. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen eines großen Theaterbetriebes in Zeiten digitaler Bühnentechniksteuerung, höchsten Anforderungen an die Variabilität eines zeitgenössischen Bühnenraumes und neuer Sicherheitsstandards im Vergleich zu vor 50 Jahren, als das Riphan-Ensemble entstand. Jetzt regiert Sankt Nimmerlein. Startet im Jahr 2017 auch noch die Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, dessen Exponate während der Sanierungszeit auf Deutschlandtour gehen, ist Köln bald komplett seiner Hochkulturmitte beraubt. Dies dachte sich wohl auch Schauspielchef Stefan Bachmann als er entschied, 350.000 Euro aus seinem Etat zu investieren, um ab September wenigstens das neu erbaute kleine Haus auf der Großbaustelle Offenbachplatz zu bespielen und wie einst in Mülheim, einen kulturfernen Ort mit kulturellem Leben zu erfüllen. Geniale Ironie kann man diesem Vorhaben nicht absprechen, wenngleich 350.000 Euro an anderer Stelle vermutlich besser platziert wären. Immerhin, der Brunnen des Künstlers Jürgen Hans Grümmer auf dem Platz erstrahlt bereits in neuem/altem Glanz und lässt auch die Hoffnung auf ein Ende des Baudramas sprudeln.
Der Vertrag des jetzt für die Bühnensanierung verantwortlichen Betriebsleiters Streitberger läuft übrigens bis Ende 2019 – die Hoffnung stirbt auch hier wieder zuletzt.
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