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„Hass“
Foto: Meyer Originals

Reise durch die Nacht

31. März 2016

„Hass“ am Freien Werkstatt Theater – Theater am Rhein 04/16

Rauchschwaden, Wände voller Graffiti, Rotoren dröhnen, Hip-Hop-Beats hämmern. „Fuck the Police / nimm die AK und schieß / bis das Blut wieder fließt“, rappen die drei Helden ihren Text auf den Soundtrack der Vorstadt-Riots. „Hass“, nach dem Film von Mathieu Kassovitz, erzählt im Freien Werkstatt Theater die Geschichte dreier Freunde (Sedat Mistek, Senad Mistek, Faton Mistek), die in der Form der klassischen Heldenreise eine Nacht durch Paris ziehen, nachdem Sedat in den Ausschreitungen einem Polizisten die Knarre abgezogen hat. Mit dem Revolver will er, sollte ein im Koma liegender Bekannter sterben, einen der Beamten töten: „Kennst du einen besseren Weg um dir Respekt zu verschaffen?“

In einer Videoprojektion erscheint daraufhin der 27-jährige Sedat Mistek und erzählt eine Geschichte vom echten Sedat. Als er vor Jahren von einem Schnorrer, dem er keine Zigarette gab, angriffen wurde, verlor er die Kontrolle. „Ich hab immer wieder auf den eingeschlagen“, erzählt er. „Ich weiß nicht, was mit mir los war.“ Vier Wochen Jugendarrest bekam er. Heute ist er entspannter, erzählt er, macht was aus seinem Leben, „denn anders kommt man eh‘ nicht weiter“. Die drei jungen Männer, die der Minderheit der Roma angehören, sind – man mag es kaum glauben – Laiendarsteller. Und mit dem simplen, aber wirkungsvollen dramaturgischen Kniff der Video-O-Töne holt Regisseur Stefan Herrmann die Szenen der Filmadaption immer wieder gekonnt ins Hier und Jetzt, in die Lebensrealität junger Roma.

Bei ihrer weiteren Odyssee durch Paris treffen die drei auf Fernsehteams, besuchen eine Vernissage und begegnen einem von Xhedo Bajraj genial gespielten Kokser, mit dem sich Faton einen Schaukampf liefert. Die Choreografie des Kampfes im Stile eines Videospiels ist schlicht und ergreifend großartig. Brüllend komisch wird es, als die Jungs ein Auto aufbrechen, um dann festzustellen, dass niemand von ihnen fahren kann. Herrmann gelingt mit „Hass“ ein echtes Kunststück. Sein solide und vorgangsreich gebauter Abend gibt den Spielern ein Maximum an Sicherheit und Freiheit, dass die in manchen Szenen zu fliegen scheinen.

„Hass“ | R: Stefan Herrmann | Mi 8.6., Do 9.6. 20 Uhr | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17

BERNHARD KREBS

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