Mensch dämmert. Schlaf ist Zeitverschwendung, jede Sekunde ein Impuls. Die Gesellschaft, in der das dreieckige Individuum nicht ins runde Kollektiv passt, ist in permanenter Verwirrung. Der Tag besteht aus Fragen. Antworten bleiben kryptisch. Verständnis ist ein fremdes Wort. Die Sehnsucht heißt Glück. Nach diesem Zustand trachtete auch Frank – ein Mann aus der Zukunft. Der Nachwelt erzählt er seine Geschichte – ein Märchen, in dem seine Frau, die Gehirnforscherin Jane, der ohne Gesäß geborene Sohn Anders, eine weiße Knochenfrau, ein Parteivorsitzender, das Mädchen mit dem Baum auf dem Kopf, die Katze mit dem Loch und ein Software-Entwickler Hauptrollen spielen. Als talentierter Gamer wird Frank von einem Konzern angeworben, um Drohnen in anderen Ländern zu steuern. Er tötet zahlreiche Menschen – von einem Opfer wird er mit dem Fluch eines Po-losen Kindes belegt. Dem Baby wird ein digitales Implantat als Hinterteil anoperiert, das sich, als Erweitung des Nervensystems, mit allen technischen Geräten auf dem Globus vernetzen kann. Dafür altert der Junge schnell. Sein Vater verlässt die Wohlfühlzone und begibt sich an die Tatorte, an denen er aus der Ferne mordete.
In „Posthuman Condition“ schickt Regisseur Guido Rademachers seine Protagonist:innen (Fiona Metscher, Felix Bold, Felix Breuel, Anton Schieffer, Johanna Münch) auf einen fantastischen Trip durch die Wirren einer vergangenen Zukunft. In der literarischen Vorlage verweist der in Hongkong geborene Autor Pan To Yan auf Diktaturen und die möglichen Auswirkungen des instrumentalisierten Fortschritts. Die bizarre und dystopische Handlung siedelt Rademachers auf einer Rampe an, die stets Abstürze provoziert. Die Figuren erleben zudem eine Vervielfachung als konträr handelnde Hologramme. Im Gleichtakt von Mensch und KI gerät die zweistündige Aufführung zu einer übersinnlichen Komposition, die Poesie, Philosophie und Politik ineinander webt. Das charismatische Ensemble lässt keine Situation aus, sein Publikum mit Romantik zu betören oder mit hypnotisierenden Sounds subtil zu verstören. Wie an der Spielstätte begibt sich die Menschheit in die Abhängigkeit automatisierter technologischer Prozesse. Fallen sie aus oder verselbstständigen sie sich, drohen unabsehbare Folgen. Keine Hölle auf Erden, sondern ein schleichender Abstieg der Menschheit in selbsterwählte Höllen bestimmt das Leben im Zeitalter der posthumanen Konditionen. Entscheidend sind die Bedingungen. Am FWT ersinnt man dafür visionäre Theorien.
Posthuman Condition | 24., 27.11., 11., 14.12. | Freies Werkstatt Theater Köln | www.fwt-koeln.de
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