Man hat den Eindruck, dass die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen gleich mit ihrem ersten Programm des „Internationalen Wettbewerbs“ unter Beweis stellen wollten, wie vielseitig und heterogen die ausgewählten Beiträge auch in diesem Jahr wieder sind. Vom Animationsfilm über ein statisches und unkommentiertes Werk über eine Collage und ein Found-Footage-Experiment bis hin zu einer Pseudodokumentation, die schließlich zum Pamphlet ausartet, wurde dann auch in der Tat ein äußerst breites Spektrum abgedeckt. Leider erwiesen sich die fünf Beiträge des „Programms 1“ trotzdem überwiegend als langatmig, überstilisiert und zumeist auch wenig originell hinsichtlich ihrer Gestaltung oder Thematik.
Am meisten konnte noch Wada Atsushi überraschen, mit dessen Animationsfilm „In a Pig’s Eye“ (Wakaranai Buta) der erste Block eingeleitet wurde. Mit Detailansichten führt der japanische Filmemacher in seine Geschichte ein, deren skurrile Handlung sich dementsprechend erst nach und nach erschließt. Ein riesiges Schwein hat sich vor dem Haus einer Familie breit gemacht, und diese geht auf sehr eigenwillige Weise mit dieser Tatsache um. So manche der minimalistisch gestalteten Szenen sind in Atsushis pointierter Inszenierung für ein Schmunzeln gut.
Noch rätselhafter kommen die Italiener Nadia Ranocchi und David Zamagni in ihrem Film „Joule“ daher. Mit statischer Kamera und fast durchweg ohne Dialoge halten sie in 23 Minuten rund zehn verschiedene Szenen fest, in denen der Zuschauer zum Beobachter wird: wie ein Mann seine Muskeln trainiert, zwei Mädchen auf einer Spielhallenmaschine Tanzschritte simulieren oder eine Stripperin sich an der Polestange räkelt. Auch in Abigail Childs „(If I Can Sing a Song about) Ligatures“ geht es erotisch zu. Die Filmemacherin hat hier alte Frauenaktaufnahmen aneinandergereiht und mit Worten aus Gedichten von Nada Gordon versehen, in denen es um unerwiderte Liebe geht. Bereits zum sechsten Mal ist Bjørn Melhus in diesem Jahr in Oberhausen vertreten. „I’m Not the Enemy“ wurde darüber hinaus die Ehre zuteil, dass er als einziger deutscher Beitrag im Internationalen Wettbewerb gezeigt wird.
Wie in anderen Filmen des Regisseurs (z.B. „The Meadow“) ist auch dieser Film aus Tonschnipseln amerikanischer Filme zusammengestellt, die mit neuen Bildern (Melhus selbst in allen Rollen) und neuem Inhalt versehen wurden. Hier hat er sich dem Themenfeld der Kriegsveteranen angenommen, die an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden. Zum Abschluss des Programms wurde als fünfter Film „Out“ (Tse) von Roee Rosen gezeigt, in dem zwei Frauen zunächst ihre Vorliebe für BDSM („Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“) schildern und diese dann vor der Kamera ausleben. Die Masochistische, die angibt, von Avigdor Lieberman, dem israelischen Außenminister, besessen zu sein, stößt bei der Folter unablässig Originalzitate des rechtsradikalen Politikers aus. Obwohl dieser Film sicherlich zu den interessantesten des Programms zählte, ist er mit fast 35 Minuten Laufzeit leider deutlich zu lang geraten.
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