Edimotion, das Festival für Filmschnitt und Montagekunst, legt dieses Jahr seinen Schwerpunkt auf Teilhabe, Inklusion und die Vermeidung kolonialer Muster. Die künstlerische Leiterin Kyra Scheurer über „klare Akzente in der filmischen und gesellschaftlichen Debatte“.
choices: Frau Scheurer, Ihr Festival Edimotion hatte immer schon den Vorteil, dass es sich dank seines Teilbereiches Schnitt und Montage sehr genau mit der Funktionsweise von Film beschäftigen konnte. Ist das auch ein Vorteil, wenn Sie nun, zur 23. Ausgabe von Edimotion, ganz konkret das Thema Teilhabe diskutieren?
Genaues Hinsehen ist natürlich immer ein Vorteil. Nein, eigentlich betreten wir hier in der inhaltlichen Diskussion eher Neuland: Qualitäten wie Teilhabe, Diversität und das Kreieren eines möglichst diskriminierungsfreien Raums ist uns in der Durchführung des Festivals schon einige Zeit ein dringliches Anliegen, in Zusammenhang mit der Filmwirtschaft wird Teilhabe aber inhaltlich bislang vor allem in Zusammenhang mit Rezeption oder der konkreten Arbeit am Filmset diskutiert. Aber auch in der Postproduktion werden unzählige Entscheidungen gefällt und wichtige Weichen gestellt für das gesellschaftliche Miteinander und die Wahrnehmung bzw. Darstellung von marginalisierten Gruppen. Und hier setzen wir an - sehr bewusst erstmals auch mit interaktiven Veranstaltungsformaten im Rahmen des Themenschwerpunkts. Dialog ist der Schlüssel zur Veränderung.
In drei Panels geht es um den Abbau von Berührungsängsten und kolonialen Stereotypen und die besondere Herausforderung, wenn Filme über Menschen mit Beeinträchtigungen geschnitten und montiert werden. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen oder Verbesserungsmöglichkeiten?
Die größten Herausforderungen liegen im Erkennen und in der Reflexion unserer eigenen Muster, der eigenen unbewussten Vorannahmen und der Art und Weise, wie sie unser Handeln und auch unseren künstlerischen und professionellen Ausdruck prägen. Erst, wenn man dazu wirklich bereit ist, fällt die Kommunikation darüber leichter, kann man sich in (Film)teams gemeinsam Herausforderungen stellen, leichter Perspektiven wechseln und mitteilen, und sowohl das Miteinander im Schneideraum als auch die dort entstehenden Werke achtsamer und mit veränderter Haltung gestalten.
Es geht Ihnen nicht nur um die Filmindustrie, sondern auch um das Thema Montage in gesellschaftlichen Debatten. Wo wirkt diese Montage besonders stark, oder wo wird sie als Instrument eingesetzt, ohne dass wir es merken?
Der letztjährige Themenschwerpunkt bei Edimotion hat unter dem Motto „Macht und Montage“ unter anderem Aspekte von Instrumentalisierung und Manipulation ausgelotet - bis hin zu Phänomenen wie Warfluencing. Aber auch dort ging es am Rande schon um Möglichkeiten des partizipativen Montierens im Dokumentarfilm, also die Teilhabe von Protagonist:innen an Entscheidungen im Schnittprozess. In diesem Jahr vertiefen wir das und beleuchten einige benachbarte Ausprägungen von Teilhabe - etwa die Frage nach einem „queeren Schnitt“, die Übersetzbarkeit von Montagesprache in Audiodeskriptionen von Teams aus blinden und sehenden Filmbeschreiber:innen, die Relevanz von afrikanischem Storytelling für nachhaltiges und dekolonialisierendes Erzählen, und, anhand konkreter Filmausschnitte, auch sehr praktisch zum Beispiel die Gefahren, die mit der Verwendung von kolonialem Archivmaterial einhergehen: Wie können wir vermeiden, dessen implizierte Wertungen, Zuschreibungen, Rassismen und übergriffige Blicke zu reproduzieren, wie kann man eventuell sogar mittels dieses Materials unseren eigenen Biases einen Spiegel vorhalten. Hier fällt der Montage in ihrer Kommentarfunktion eine Bedeutung zu, die bis zum persönlichen Beitrag zu antirassistischer Intervention reichen kann.
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