Es ist vor allem ein Event für Fachleute: Fernsehmacher – Produzenten, Regisseure, Darsteller, Kameraleute und Musiker treffen sich auf dem Festival Großes Fernsehen, um gemeinsam die neuesten Trends der Fernsehwelt vorab auf großer Leinwand im Kino zu begutachten. Das Festival ist dem medienforum nrw vorangestellt. Während auf dem medienforum ästhetischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und technischen Fragen der Fernseh- und Kinoproduktion nachgegangen wird, kann man hier ein anschauliches Fundament für die Diskussionen legen und die Ergebnisse der Arbeit begutachten.
Auch die Bemühungen der Veranstalter, „Großes Fernsehen“ als Publikumsfestival zu etablieren, tragen von Jahr zu Jahr mehr Früchte. Doch in diesem Jahr war die Konkurrenz besonders groß: Zeitgleich regierte die c/o-pop die Musikszene der Stadt, mit der Fußball-WM hatte man eine weitere Konkurrenz. Und nicht zuletzt musste man dem über die Stadt hereingebrochenen Hochsommer Paroli bieten. Keine leichte Ausgangslage, aber mit einer Besucherzahl von gut 2.200 Zuschauern konnte man die Zahlen des Vorjahres sogar ein wenig übertreffen. Das lag sicher an Gästen wie Henry Hübchen, Barbara Auer oder David Rott, die sich wiederum über die große Leinwand und das direkte Feedback freuten, dass ihnen die Ausstrahlung im Fernsehen natürlich nicht bieten kann.
Nicht nur gut gefüllt, sondern nahezu ausverkauft war die Eröffnung am 24. Juni. Zu sehen war der Thriller „Takiye – Spur des Terrors“. Im Fernsehen wird der in Köln und Istanbul angesiedelte Film erst am 25. August um 20.15 Uhr zu sehen sein. Hier konnte man Ben Verbongs („Das Sams“) Fernsehfilm schon jetzt begutachten: Im Gegensatz zu seinem Bruder Numan hat Metin nach dem Tod des Vaters zum Islam gefunden. Gutgläubig überredet Metin Gemeindemitglieder, in einen islamischen Wirtschaftsfonds zu investieren. Kurz darauf ist der Fonds pleite, das Geld – auch sein eigenes – ist verloren. Als sich die Gemeinde gegen ihn stellt und auch noch sein Schwiegervater und seine Frau einem Attentat zum Opfer fallen, muss er handeln. Er reist nach Istanbul, um die Hintergründe des dubiosen Fonds‘ zu enträtseln. Takiye widmet sich einem spannenden Thema. Leider offenbart die große Leinwand die Schwächen des Films wohl deutlicher als ein kleiner Bildschirm. Große Teile wirken hölzern inszeniert. Herausragen können aber vor allem Özay Fecht („40 qm Deutschland“, „Happy Birthday, Türke“) als Metins Mutter und – allen voran – Stipe Erceg („Die fetten Jahre sind vorbei“) als Bruder Numan. Letzterer scheint an seinen Dialogen auch selbst Hand angelegt zu haben – sie fügen sich nur allzu gut in seine Rolle des schnoddrigen Kleinkriminellen. Dem Publikum, das nach der Vorführung den angereisten Darstellern und Regisseur Verbong applaudierte, schien es zu gefallen.
Für die immer zahlreicher werdenden Fans von neuen, ungewöhnlichen US-Serien gab es auch in diesem Jahr wieder ein paar Highlights: Passend zur WM in Afrika war eine Sidney Pollack-Produktion von BBC und HBO zu sehen: „The No. 1 Ladies Detective Agency“ erzählt von Precious, die in Botswana das erste von einer Frau geleitete Detektivbüro eröffnet. Ein Start im deutschen Fernsehen ist noch ungewiss. Klar ist hingegen, dass „Leverage“ mit Timothy Hutton noch in diesem Jahr bei Vox laufen wird. Die actionreiche Serie münzt die Robin Hood-Idee auf die von Großkonzernen und Banken dominierte Gegenwart. Nicht zuletzt wurden auch eindrucksvolle Dokumentarfilme wie „Universum Ozeane – Mit Frank Schätzing“ gezeigt. Der bekannte Kölner Autor lieferte nicht nur die Buchvorlage, sondern kommentierte auch die Vorführung im Cinedom. Und freute sich über den schönen Nebeneffekt des Festivals, die Konkurrenzsituation zwischen Kino und Fernsehen zu entschärfen.
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