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Imamin Rabeya Müller bei einem gemeinsamen Gebet des LIB in Berlin
Foto: © Lutz Jäkel / laif

Glauben und Glauben lassen

30. August 2021

Der Liberal-Islamische Bund setzt auf Pluralismus und Dialogbereitschaft – Teil 2: Lokale Initiativen

Der Islam erscheint in den Medien vornehmlich als eine Religion, die ihren Anhänger:innen strengste Regeln auferlegt. Dass es nicht den einen Islam gibt, sondern seine Gemeinschaften ebenso vielfältig sind wie die Gesellschaften, in denen sie entstehen, demonstriert der Liberal-Islamische Bund, der 2010 in Köln gegründet wurde. Seine Fundamente sind die Eigenverantwortung der einzelnen Gläubigen und der dialogische Austausch. Im Ruhrgebiet sollen weitere Gemeinden entstehen.

Ganz gleich wie der persönliche Lebensentwurf, das Alter oder die nähere Glaubensauslegung aussehen, im Liberal-Islamischen Bund eint die Mitglieder ihr liberales Islamverständnis. Viele von ihnen haben einen konservativen Hintergrund, aber „irgendwann einen anderen Weg eingeschlagen“, erklärt Odette Yilmaz, erste Vorsitzende des Vereins. Sie selbst wurde progressiv erzogen, war dennoch lange Zeit in einer konservativen Gemeinde aktiv. Irgendwann stellte Yilmaz fest, dass ihr der Rahmen, den eine konservative Glaubensauslegung bietet, zu eng gesteckt ist. Kritisch den eigenen Glauben hinterfragen, dasseiin strenggläubigen Gemeinden eher schwierig: „Aber der Koran ruft uns auf, nachzudenken.“

Befreiung von der absoluten Wahrheit

Die Schahâda – das islamische Glaubensbekenntnis – und die freiheitlich-demokratische Grundordnung sind die Grenzsteine des Liberal-Islamischen Bundes. Die Gemeindemitglieder sollen ein eigenes Islamverständnis entwickeln dürfen und sich in gemeinsamen Begegnungen dazu austauschen. Ein liberaler Islam bedeutet demnach: Die Befreiung von der absoluten Wahrheit. Der einzelne Gläubige denkt und handelt eigenverantwortlich. Das heißt auch, dass die eigene Position kritisch reflektiert wird. „Der Glaube des Einzelnen ist nur ein Weg von vielen und jeder Weg hat seine Berechtigung“, fasst Yilmaz zusammen.

Gemeinden des Liberal-Islamischen Bundes lassen sich bereits an sieben Standorten in Deutschland finden, darunter in Hamburg, Berlin und Frankfurt. Seit letztem Jahr wird auch der Gemeindeaufbau im Ruhrgebiet vorangetrieben, außerdem in Wuppertal. Duisburg wird als zukünftiger Standorte ins Auge gefasst. Hier fühlen sich bereits ca. 30 Personen dem Verein verbunden. Durch eine gute Vernetzung im Ruhrgebiet sollen mit den neuen Standorten nicht zuletzt Alternativen zu den Präsenzveranstaltungen in Köln geschaffen werden. Noch wird der Gemeindeausbau durch die Covid-19-Pandemie erschwert.

Pluralistische Brückenbauer

Die Reaktionen auf die Aktivitäten des Liberal-Islamischen Bunds sind gemischt. Trotz allem setzt der Verein auf Austausch statt Ausgrenzung. Mitunter wird ihm unterstellt, anti-muslimisch zu sein oder die Positionen Strenggläubiger zu ignorieren. Doch neben dem interreligiösen Austausch wird auch der innermuslimische Diskurs gepflegt. „Wir laden andere Gemeinden gerne zu uns ein, beispielsweise zum gemeinsamen Fastenbrechen. Da sind natürlich auch konservative Menschen herzlich willkommen. Unsere einzige Erwartung ist, dass der Absolutheitsanspruch draußen bleibt“, stellt Yilmaz klar. Aufgrund dieser Offenheit wird der Verein mittlerweile auch als Gesprächspartner für die Politik, wahrgenommen. In ihm zeigt sich die Hoffnung, dass progressive Glaubensgemeinden als Brückenbauer zu pluralistischen Gesellschaften fungieren.


Religonäre - Aktiv im Thema

house-of-one.org | Das interreligiöse Berliner Bauprojekt vereint eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche und wendet sich als Ort des Dialogs ausdrücklich auch an nichtreligiöse Menschen.
heimatkunde.boell.de/de/2020/12/17/interreligioeser-dialog-erfolgsentwicklung-oder-uebergangsphaenomen | Kritische Diskussion des interreligiösen Dialogs im migrationspolitischen Portal der Heinrich Böll Stiftung.
www.ibka.org | Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten hat sich der Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte verpflichtet und betont die Freiheit, sich zu religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauungen zu bekennen oder nicht zu bekennen.

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Jessica Siegel

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