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Bochums Kulturszene muss sich besser vernetzen, sagen Kresse und Kai
Foto: Marek Firlej

Zwischen Bar und Bühne

25. September 2025

Teil 2: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend

Wer zum ersten Mal durch die Tür in der Rottstraße 15 tritt, stolpert nicht in eine Bar im klassischen Sinne, sondern eher in ein Wohnzimmer, das seine Möbel selbst zusammengestellt hat: ein bisschen improvisiert, ein bisschen bunt, aber vor allem offen. „Wir wollen ein Raum für Austausch und Meinungsvielfalt sein“, sagt Kai, 23, Thekenkraft und Vorstandsmitglied im Trägerverein, „für alle, die die Vielfalt schätzen“.

Mehr als eine Kneipe

Das Neuland ist mehr als eine Kneipe. Der Verein Wostspitze e.V. (das Neuland ist an der Ostspitze des Westends, der Wostspitze, beheimatet) betreibt den Ort, der ursprünglich aus dem Projekt Kreativquartiere Ruhr hervorgegangen ist. Heute ist es ein Treffpunkt für ein Viertel, das kulturelle Vielfalt nicht nur behauptet, sondern täglich ausprobiert. „Genau das macht uns besonders: dass man hier Menschen begegnet, die man im Alltag nie getroffen hätte“, sagt Kai, und Kresse, der eigentlich Christopher heißt, ergänzt: „Wo sonst trifft die Hip-Hop-Szene auf die Punkszene?“ Die „Punk goes Acoustic“-Konzertreihe, die kürzlich ihren elften Geburtstag feierte, Tischtennisturniere bis tief in die Nacht, Kunstausstellungen oder die „Superior Session“, bei der jeder, der will, spontan auf ebenso spontane Beats rappen darf – sie alle bringen ein buntes Publikum ins Westend.

Lockere Strukturen

Die Struktur ist locker: Über 200 Mitglieder zählt der Verein. Davon sind zehn bis 20 Prozent auch in der Organisation aktiv. Im Umkehrschluss heißt das: Wer hier ein paar Mal auf ein Bierchen vorbeigekommen ist, will den Laden auch mit einem Mitgliedsbeitrag unterstützen. Man fühlt sich einfach direkt wohl: Vorstandstreffen etwa alle zwei Wochen, spontane Ideen für das Programm – so funktioniert die Vereinsorganisation.

Finanziert wird das Ganze größtenteils über Thekenumsatz und Mitgliedsbeiträge. Die Preise sind bewusst niedrig gehalten, „damit wirklich niemand draußen bleiben muss“, so Kresse. Der 26-Jährige gehört dem Vorstand seit drei Jahren an.

Offen, aber nicht beliebig

Offenheit bedeutet für das Neuland nicht Beliebigkeit. Diskriminierung, respektloses Verhalten oder grenzüberschreitender Konsum haben hier keinen Platz. Ein eigenes Awareness-Konzept, eine entsprechende Arbeitsgruppe und Schulungen für Mitglieder sollen das untermauern. „Toleranz hat ihre Grenzen – wenn jemand diese überschreitet, greifen wir ein“, sagt Kai, nicht ohne im Gespräch immer wieder zu betonen, dass man im Prinzip mit fast allen Menschen reden könne. Unterschiedliche Ansichten seien wertvoll und interessant. Menschen, die eine grundsätzlich intolerante, undemokratische Geisteshaltung vertreten, verirrten sich ohnehin nicht in die Rottstraße.

Demokratische Meinungen willkommen

Politisch hält sich das Neuland derzeit zurück. Doch das soll sich ändern. Man wolle wieder aktiver werden, aber „gut vorbereitet und mit einem klaren Leitsatz“. Jede demokratische Meinung ist willkommen. Denn es bleibt der Anspruch, ein Wohnzimmer für das Westend zu sein: ein Raum für Austausch, Begegnung und kulturellen Ausdruck.

Bessere Vernetzung

Und wie sehen Kai und Kresse den Beitrag ihres Vereins für das Westend oder gar ganz Bochum? Die Bochumer Kulturszene sei vielfältig, doch oft schlecht vernetzt. Das Neuland will daran arbeiten: mehr Kooperationen, mehr politische Klarheit, mehr Diversität. Strukturelle Hürden gibt es viele – aber Visionen ebenso. Und wenn man sieht, wie bunt das Programm schon jetzt ist, darf man davon ausgehen: Das Wohnzimmer an der Rottstraße bleibt ein Ort, der Bochum kulturell bereichert.

Marek Firlej

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