Marode Gebäude, drohende Schließungen, steigende Kosten: Die Kölner Kulturhäuser stehen unter Druck. Kulturschaffende versuchen dagegen vorzugehen und machen immer wieder auf ihre Lage aufmerksam. Doch es gibt einen blinden Fleck: „In der Kulturpolitik reden wir fast ausschließlich über die freie Szene – viel zu wenig über die städtischen Einrichtungen“, sagt Bruno Wenn, Vorstandsvorsitzender des Kölner Kulturrats.
Der Kölner Kulturrat bündelt seit 1962 die Anliegen zahlreicher Kulturfördervereine und vertritt die Interessen seiner Mitglieder: „Wir betreiben Lobbyarbeit, bieten Beratungsleistungen und fördern Vernetzung. Nicht jeder muss immer alles alleine machen“, erklärt Wenn. Mit Denkanstößen, Symposien und Hintergrundgesprächen vermittelt der Verein zwischen Kulturschaffenden, städtischen Institutionen, Politik und Verwaltung.
Alarmierende Zustände
Die aktuelle Lage der Kölner Kultur beschreibt Wenn als alarmierend: Viele Museen sind geschlossen, wegen massiver Bauschäden akut gefährdet oder nur in Übergangsquartieren zugänglich. Infrastruktur- und Sanierungsmaßnahmen werden verschoben. Die Philharmonie steht vor einer Generalsanierung, aber eine Zwischenlösung ist nicht in Sicht. Auch die Bühnen stehen unter Druck: Nach der Wiedereröffnung am Offenbachplatz müssen sie künftig Oper, Schauspiel, Kinderoper sowie mehrere Depots bespielen.
Hinzu kommt die angespannte Finanzlage. Kultur zählt – ebenso wie etwa Sport und Soziales – zu den sogenannten freiwilligen Leistungen der Kommunen und wird bei Engpässen oft zuerst gekürzt. Dabei steigen die Kosten unaufhaltsam. „Die größten Kostenblöcke sind die Personalkosten. Wenn es keine zusätzlichen Mittel gibt, werden die Spielräume für Programme immer enger“, erklärt Wenn. Der Kulturrat fordert deshalb klare Rahmenbedingungen, nachhaltige Perspektiven und Verlässlichkeit von Politik und Verwaltung.
Nicht nur Geld
Doch Geld allein wird die Probleme nicht lösen. Wenn sieht auch strukturellen Reformbedarf: „Braucht jedes Museum wirklich eine eigene Pressestelle, eine eigene Werkstatt, ein eigenes Ticketing?“ Gemeinsame Lösungen könnten Kosten senken und die Effizienz steigern. Vor allem aber gehe es um Vertrauen: „Wir brauchen mehr Eigenverantwortung der Leitungen statt kleinteiliger Kontrolle durch die Verwaltung.“ Mehr Handlungsspielräume für Direktor:innen und Intendant:innen könnten Kreativität freisetzen und dabei helfen, mit den knappen Ressourcen besser zu wirtschaften.
Dabei lohnt auch ein Blick über den Tellerrand. In Großbritannien und Belgien etwa werden Kulturförderungen längst auf Grundlage von Wirkungsanalysen vergeben. Köln hingegen hat laut Wenn kaum belastbare Zahlen zur Wirkung seiner Kulturinstitutionen. Ohne diese Zahlen fehlen dann wichtige Argumente, wenn das Geld knapp wird.
Trotzdem bleibt Wenn optimistisch. „Andere Städte blicken mit großem Respekt auf Köln: vielfältig, lebendig, kreativ. Dieses Potenzial gilt es zu bewahren und auszubauen.“ Klar ist für ihn auch, dass die städtischen Einrichtungen dabei eine zentrale Rolle spielen: „Nur mit Unterstützung der öffentlichen Hand ist es möglich, eine breite, lebendige und kreative Kulturlandschaft aufrechtzuerhalten.“ Die Stadt könne hier ein Vorbild sein, etwa bei der Bereitstellung von Räumen. Nicht zuletzt im internationalen Vergleich müsse Köln sich nun entscheiden: „Wollen wir im Konzert der Metropolen mitspielen – oder nur eine nette Veedelskultur haben?“
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Kulturschock
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