Der religiöse Friede in der Schweiz bröckelte, als 2007 die Eidgenössische Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ diskutiert wurde. Die Politiker:innen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), welche die Initiative einbrachten, verfolgten ein Ziel: das landesweite Verbot von Minarettbauten. Die Türme, von denen aus der Muezzin zum Gebet aufruft, wurden damit als Symbol des Islams angegriffen. Schnell entbrannte der Schweizer Minarettstreit, der 2009 zu einer Volksabstimmung zuungunsten der Muslime führte.
In die Diskussion mischte sich auch ein interreligiöser Think-Thank ein. In einer Stellungnahme sprach dieser sich gegen die Initiative aus. Sie sei, so heißt es, „diskriminierend und gefährlich, da sie sich einseitig gegen Menschen islamischen Glaubens richtet, sie ausgrenzt und gegenüber anderen Religionsangehörigen benachteiligt“. Diese interreligiöse Denkfabrik ging aus demSchweizerischen Rat der Religionen hervor, der erst im Mai 2006 gegründet wurde. Das gemeinsame Ziel: der Erhalt des religiösen Friedens und die Förderung eines interreligiösen Dialogs in der Schweiz.
Der Rat setzt sich zusammen aus den leitenden Persönlichkeiten der monotheistischen Religionen in der Schweiz. Dazu gehören die drei Landeskirchen (also katholische, evangelische sowie orthodoxe Vertreter), die jüdische Gemeinschaft und muslimische Organisationen. Doch nach der Zusammenstellung des Rats war schnell interne Kritik zu hören. Der Grund: die rein männliche Vertretung.
Ein „reines Männergremium“ repräsentiere nicht die Frauen, die vor allem in der Basis der jeweiligen Konfessionen tätig seien, lautete die feministische Kritik.„Wir wollen dies nicht hinnehmen und fordern eine geschlechtergerechte Neubesetzung des Rats der Religionen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt ihre Sicht der Dinge einbringen“, heißt es in einer Stellungnahme. Seitdem wird der leitende Rat um einen Beirat aus drei Expertinnen ergänzt.
Der Rat der Religionen steht ausdrücklich für Rede- und Meinungsfreiheit ein, mahnt zugleich, dass der Aufruf zur Gewalt dennoch nicht toleriert werden darf, dass insbesondere Hassreden im Internet eine neue Herausforderung bedeuten, der auch gesetzlich entgegenzutreten ist. Einen Anstieg von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Feindlichkeit gegenüber Islam und Judentum stellt er für die Schweiz und weltweit fest. Schließlich formuliert er auch konkrete politische Forderungen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen, so für den Flüchtlingsschutz den „Schutz vor Ort“, „legale Fluchtwege“, „faire und effektive Asylverfahren“, „Integration und gleichberechtigte Teilhabe“ und eine „Rückkehr in Würde“.
In den knapp 15 Jahren hat sich damit eine Institution etabliert, die in der Schweizerischen Gesellschaft als humanistisches Sprachrohr auftritt, die zuletzt jedoch eine Niederlage einstecken musste: In einem Volksentscheid, von einem rechtskonservativen Verein auf den Weg gebracht, sprach sich im März eine knappe Mehrheit für ein „Verschleierungsverbot“ im öffentlichen Raum aus. Kritiker und Kritikerinnen des Verbots wenden sich gegen die antimuslimischen Motive und schütteln den Kopf außerdem darüber, solchen Aufwand angesichts einer überaus kleinen Gruppe von Betroffenen zu betreiben: Dem Luzerner Zentrum für Religionsforschung zufolge tragen in der gesamten Schweiz höchstens drei Dutzend Musliminnen einen Nikab (Gesichtsschleier) oder eine Burka (Ganzkörperschleier).
Religonäre - Aktiv im Thema
house-of-one.org | Das interreligiöse Berliner Bauprojekt vereint eine Synagoge, eine Moschee und eine Kirche und wendet sich als Ort des Dialogs ausdrücklich auch an nichtreligiöse Menschen.
heimatkunde.boell.de/de/2020/12/17/interreligioeser-dialog-erfolgsentwicklung-oder-uebergangsphaenomen | Kritische Diskussion des interreligiösen Dialogs im migrationspolitischen Portal der Heinrich Böll Stiftung.
www.ibka.org | Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten hat sich der Durchsetzung der allgemeinen Menschenrechte verpflichtet und betont die Freiheit, sich zu religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauungen zu bekennen oder nicht zu bekennen.
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