
Entscheidungen zählen zu den täglichen Herausforderungen – von der Kleidungswahl über Berufswahl bis zur Familiengründung. Sie prägen das eigene Leben und gesellschaftliche Verhältnisse, sind eine Basis für gemeinschaftliches Handeln. Das 2018 gegründete Decision Lab Cologne (DLC) am Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Kölner Universität setzt sich mit Entscheidungssituationen auseinander.
Teilnehmer:innen der Studien des DLC treffen vermeintlich simple Entscheidungen und werden dadurch Teil eines größeren Projekts. Schwerpunkt der Untersuchungen sind zum einen die individuellen Entscheidungen eines Menschen, die Rolle von Überlegung, Intuition und Assoziation, zum anderen Entscheidungen in gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhängen, beispielsweise: Wie treffen wir Entscheidungen, wenn es nicht nur um uns selbst, sondern auch um das Wohl unserer Mitmenschen geht, welche Rolle spielt Kooperation?
Teilen oder behalten?
Wer an Studien des DLC teilnehmen möchte, registriert sich auf der Website und erhält eine persönliche Identifikationsnummer. Nach allgemeinen Fragen zu persönlichen Eigenschaften werden Teilnehmer:innen in eine Datenbank aufgenommen und erhalten Einladungen zu Studien, an denen entweder online oder vor Ort an der Universität zu Köln teilgenommen werden kann. Die Studien umfassen beispielsweise Fragen zur Bereitwilligkeit zur Kooperation mit Menschen aus anderen gleichen oder anderen kulturellen Zusammenhängen. Andreas Glöckner, Professor für Sozialpsychologie und Gründer des DLC, nennt folgende Beispielfrage: Welchen Anteil eines Betrages von 10 Euro, den Sie von uns erhalten haben, wären Sie bereit einer anderen anonymen Person abzugeben?
Die Ziele der Forschung im DLC sind unterschiedlicher Natur. Ein grundlegendes Verständnis von Entscheidungsprozessen soll Menschen dabei helfen, individuell bessere Urteile fällen zu können. Diverse Weiterbildungen für Jurist:innen und Ärzt:innen sollen die Entscheidungsfähigkeit in gesellschaftlich relevanten Berufsfeldern verbessern. Im gesellschaftlichen Kontext zielt die Forschung im DLC darauf ab, soziales Handeln im Umgang mit Mitmenschen, auch über Ländergrenzen hinweg, zu verstehen und zu verbessern. Denn gesellschaftliche Probleme können nur durch Kooperation gelöst werden.
Intuition, Reflexion, Vorurteile
Die verbreitete Unterscheidung zwischen Bauch- und Kopfentscheidungen erweise sich in den Untersuchungen als wenig tragfähig, so Andreas Glöckner. Stattdessen zeigten die Ergebnisse, dass Proband:innen bei Entscheidungen viele Informationen zugleich berücksichtigen und Intuition und Reflexion zugleich eine Rolle spielen. Darüber hinaus legt die Auswertung des Verhaltens in Entscheidungsszenarien offen, dass Menschen auch in Stereotypen, also verallgemeinernden Vorannahmen über Gruppen, denken. Vorannahmen über die Hilfsbereitschaft von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, stellten sich im Vergleich mit dem tatsächlichen Verhalten mitunter als komplett falsch heraus.
Das Decision Lab Cologne wird von Teilnehmer:innen rege genutzt, seine Befunde helfen, besser zu verstehen, wie Entscheidungen besonders in sozialen Zusammenhängen zustande kommen und welchen Faktoren die Forschung mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Einer Gesellschaft, die sich unzähligen Herausforderungen gegenüber sieht, für deren Bewältigung es Kooperation und gegenseitiges Verstehen braucht, kann das nur zugute kommen.
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