Funny Games U.S.
USA 2007, Laufzeit: 114 Min., FSK 18
Regie: Michael Haneke
Darsteller: Naomi Watts, Michael Pitt, Tim Roth, Brady Corbet, Devon Gearhart, Boyd Gaines, Siobhan Fallon, Robert LuPone
1997 erschütterte Michael Haneke Cannes mit seiner filmischen Auseinandersetzung über Gewaltdarstellung: „Funny Games“ war Grenzkino in mehrfacher Hinsicht. Jetzt inszenierte der Regisseur eine 1:1-Adaption für das englischsprachige Publikum.
Vater (Tim Roth), Mutter (Naomi Watts), Kind fahren in den Urlaub zum Haus am See. Dort stehen schon bald zwei freundliche, junge Männer (Michael Pitt, Brady Corbert) in der Tür, die nach einer Handvoll Eier fragen und plötzlich die Familie bedrohen. Der Ton der beiden bleibt höflich, ihr Vorhaben entsprechend absurd: Sie wetten, dass die Familie die Nacht nicht überleben wird. Und bis die Familie erkennt, wie ernst es den Buben ist, haben die noch weitere lustige Spiele auf Lager.
Was zuerst einmal klingt wie eine klassische Stephen-King-Adaption, entpuppt sich schon bald als eine Geschichte, die sich ebenso nah wie fernab aller Konventionen bewegt: Kompromisslos und konsequent spielt Haneke seine Geschichte im Genregewand durch, variiert genormte Formen und durchbricht wiederholt die Illusionsebene. Um die Darstellung von Gewalt in den Medien geht es Haneke. Um die Selbstverständlichkeit, mit der die Zuschauer sich ihr aussetzen. Um die Komplizenschaft des Staunenden mit dem Bösen. Das 97er Original hinterließ irritierte Zuschauer in allen Lagern: Genrefans sahen sich in den intensiven, aber weitgehend blutarmen Bildern gelangweilt, das große Publikum zeigte sich begeistert bzw. geschockt über die ungewohnte Herangehensweise. Und von den Kritikern schüttete es Lob, auch wenn Hanekes Intention anfechtbar blieb. Dass er dies nicht so sieht, verdeutlicht der Regisseur dadurch, dass er mit der Bild-für-Bild-Neuverfilmung geradezu trotzig die Frage beantwortet, ob er seinen Film genau so noch einmal drehen würde.
„Die Darstellung von Gewalt hat sich verändert“, sagte der Regisseur 2005, „der Film schockiert jetzt weniger.“ Von daher ist es wiederum verwunderlich, dass Haneke seine Vorlage nun 1 zu 1 adaptiert, ohne sie dieser Entwicklung entsprechend anzupassen. Doch Haneke geht es in erster Linie darum, seinen Film endlich der ursprünglichen Zielgruppe zugänglich machen zu können, dem amerikanischen „Publikum des Gewaltmainstreams“. Interessant wird sein, ob die Hollywood-Adaption auch hierzulande mehr Zulauf bekommen wird als seinerzeit die deutsche Fassung. Letztere ist insgesamt dem Remake vorzuziehen, welches es trotz gestandener Schauspielerriege mit seinem Vorbild nicht wirklich aufnehmen kann – aber auch nicht braucht, die perfekte Fassung existiert ja bereits. Die Diskussion, die die US-Version im Ausland auslösen mag, könnte für das deutschsprachige Publikum also interessanter werden als das Remake selbst. Für die, die ihn noch nicht kennen, bleibt „Funny Games U.S.“ allemal eine Empfehlung. Und die Gelegenheit, ihn tapfer im Kino zu durchleben, sollte man sich nicht entgehen lassen.
(Hartmut Ernst)
Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23
„Film als Grundversorgung statt als Risiko“
Alexander Scholz über die Ziele des Filmnetzwerks Filmkultur NRW – Portrait 10/23
Film- und Troublemaking
„Clashing Differences“ gewinnt choices-Publikumspreis des 20. Afrika Film Festivals – Festival 10/23
„Wir müssen begreifen, wozu wir fähig sind“
NRW-Premiere „Die Mittagsfrau“ im Cinenova – Foyer 10/23
Leinwand als Bildungsort
Ein Monat voller Kunst, Kultur und Geschichte – Vorspann 10/23
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
Neue afrikanische Jugend
„Coconut Head Generation“ im Filmforum – Foyer 09/23
„Festivals sind extrem wichtig, um Vorurteile abzubauen“
4 Fragen an Sebastian Fischer, Leiter des Afrika Film Festivals Köln – Festival 09/23
Kollektive gegen Missstände
Kurzfilm im Veedel in Köln – Film 09/23
Reifes Regiedebüt
„Sophia, der Tod und ich“ im Odeon – Foyer 09/23
Preiswürdiges Paar
„Tori et Lokita“ gewinnt choices-Publikumspreis der Französischen Filmtage – Festival 09/23
Alte und neue Filmschätze
Das Afrika Film Festival zeigt Filmkunst als Raum für Aktivismus – Festival 09/23
Gegen die Todesstrafe
„Sieben Winter in Teheran“ in den Lichtspielen Kalk – Foyer 09/23
Mit vollen Häusern in den Kinoherbst
Keine Langeweile im Kino dank „Barbenheimer“ – Vorspann 09/23
Das Leben und nichts anderes
Französische Filmtage in Bonn und Köln – Festival 08/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Exklusiv: Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
Faszinierendes historisches Erbe
Internationale Stummfilmtage 2023 in Bonn – Festival 08/23
Streik!
Arbeitsstopp in der Schreibergilde – Vorspann 08/23
Porträt eines großen Künstlers
„Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“ im Filmhaus – Foyer 07/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
Auf nach überall
Urlaubsgefühle im Kino – Vorspann 07/23
Filmpreis mit Geschmäckle
Deutscher Filmpreis vor der überfälligen Reformierung – Vorspann 06/23
Die Kunst der Verdichtung
„Das Lehrerzimmer“ mit Drehbuchautor Johannes Duncker im Weisshaus-Kino - Foyer 05/23
Von kinderlos zu kinderfrei
Sondervorführung „Me Time“ im Odeon Kino
Sozialismus und Sextourismus
Preview: „Vamos a la playa“ in der Filmpalette