Franz K.
Tschechische Republik, Irland 2025, Laufzeit: 127 Min., FSK 16
Regie: Agnieszka Holland
Darsteller: Idan Weiss, Jenovéfa Boková, Peter Kurth
Leicht surreales Biopic mit Doku-Elementen
Komplizierte Verhältnisse
„Franz K.“ von Agnieszka Holland
2024 jährte sich Franz Kafkas Tod zum 100. Mal, und wie bei runden Todestagen so üblich, steht er bei Film- und Fernsehmachern zurzeit hoch im Kurs. Vergangenes Jahr startete „Die Herrlichkeit des Lebens“ nach dem Roman von Michael Kumpfmüller, der sich auf das letzte Lebensjahr Kafkas und seine Beziehung mit Dora Diamant konzentrierte. Im Frühjahr dieses Jahres folgte in der ARD eine aufwändige, sechsteilige Miniserie, an der Daniel Kehlmann mitgeschrieben hatte. Etwas spät zur Party kommt nun „Franz K.“ von Regie-Veteranin Agnieszka Holland, die das Leben des berühmtesten literarischen Sonderlings des 20. Jahrhunderts einmal mehr in Szene setzt.
Dabei stellt sie Kafkas Verhältnis zu seiner Familie und sein Leben im Prag der Jahrhundertwende in den Fokus. Hineingeboren in eine gutbürgerliche jüdische Kaufmannsfamilie, pflegt er ein enges Verhältnis zur jüngsten Schwester, Ottla. Dafür leidet der verhuschte, anämisch wirkende Hänfling Zeit seines Lebens unter der Geringschätzung des grobschlächtigen Vaters, eines lautstarken Patriarchen. An diesem arbeitet Kafka sich in seinen absurden Erzählungen ab, die er des Nachts verfasst. Sein Förderer Max Brod, der den selbstkritischen Freund immer wieder zum Schreiben ermuntert, erkennt deren Qualität früher als Kafka selbst. Der wiederum nutzt sein Talent mit Vorliebe, um mit den Frauen in seinem Leben zu kommunizieren, von denen es mehr gab, als man dem Großstadtneurotiker zutrauen möchte – so etwa seine Kurzzeitverlobte Felice Bauer, deren Freundin Grete Bloch oder auch seine Übersetzerin Milena Jesenská. Dora Diamant allerdings, die in „Die Herrlichkeit des Lebens“ noch mit im Zentrum stand, bleibt bei Holland unerwähnt.
Das Ensemble kann sich sehen lassen: Die Titelrolle etwa wird von Idan Weiss gespielt, sicherlich dem am besten gecasteten Film-Kafka der jüngeren Vergangenheit, dem Holland in seinen Mitspielerinnen Carol Schuler, Jenovéva Bokova oder Katharina Stark würdige Konterparts entgegensetzt. Herausragend auch Peter Kurth, der Kafkas Vater Hermann mit angemessener Körperlichkeit spielt.
Den Namensgeber des Adjektivs „kafkaesk“ mit einem konventionellen Biopic zu inszenieren erscheint seltsam unpassend – so setzt Holland auf verfremdende Elemente: Intensiv nutzt sie Rück- und Vorblenden zwischen Kafkas Leben als Erwachsenem und Kindheitserinnerungen. Zeitsprünge bis in die Gegenwart sorgen für surreale Momente – so findet sich Kafka bei einem Berlinbesuch etwa vor einer mit Graffiti übersäten Wand des 21. Jahrhunderts wieder. Immer wieder schaltet Holland in ein fiktives Kafka-Museum, in dem Museumsführer in diversen Sprachen Touristengruppen seine Bedeutung klar machen, immer wieder auch durchbrechen die Figuren die vierte Wand und sprechen zum Publikum. Eine Lesung von „In der Strafkolonie“ inszeniert sie als Mini-Verfilmung der Geschichte, ein Stilmittel, das sie allerdings nur diese eine Mal einsetzt. Ansonsten beschränkt sie sich darauf, die einschlägige Ikonographie seines Werks in die Inszenierung einfließen zu lassen, etwa wenn sie eine Kakerlake über den Esstisch krabbeln lässt oder wenn eine winterliche Schlittenfahrt an „Ein Landarzt“ erinnert.
Wie in einer der Museumsszenen eindrücklich dargestellt ist, wird Kafkas schmales Werk von den gesammelten Schriften über ihn in einem Verhältnis von 1:10 Millionen in den Schatten gestellt. Person und Leben Kafkas wurden nicht nur wissenschaftlich bis ins Kleinste unter die Lupe genommen, sie sind längst in die Popkultur durchgesickert, darauf spielt auch Holland an. Die Szene etwa, in der sich Vater Kafka über das gründliche Kauen des Sohnes lustig macht, wird auch in der Comic-Biografie von Robert Crumb aufgegriffen.
Das Bild des menschenscheuen, schwermütigen Asketen, das sich in der Popkultur festgesetzt hat, bricht sie in einigen Szenen auf, die Kafka als weder lustfeindlich noch freudlos zeichnen – wie etwa eine private Lesung aus „Der Process“ im Kreis seiner Freunde, die sowohl Zuhörer als auch Autor zu großer Heiterkeit hinreißt. Insgesamt bleibt er aber auch hier der Verrätselte, in entrückten Sphären Schwebende, der die Liebe zu den Frauen lieber in langen Briefen auslebt, als mit ihnen Möbel für die gemeinsame Wohnung auszusuchen. Ebenso liegt der Fokus auf dem für sein Schreiben so zentralen Verhältnis zu seinem dominanten Vater. Die Interviews mit den Figuren und die Museumsszenen verleihen dem Film außerdem einen dokumentarischen Touch, der eher an Bildungsfernsehen denken lässt als an Kino.
(Christopher Dröge)
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