Broker – Familie gesucht
Südkorea 2022, Laufzeit: 129 Min., FSK 12
Regie: Hirokazu Kore-eda
Darsteller: Song Kang-Ho, Dong-won Gang, Doona Bae
>> broker-film.de/movies/15199?ref=
Komödiantische Annäherung an ernste Fragen
Wahlverwandtschaften
„Broker – Familie gesucht“ von Hirokazu Kore-eda
Seit vielen Jahren widmen sich die Filme des japanischen Regisseurs Hirokazu Kore-eda der Idee Familie. Allerdings geht es dem vielfach ausgezeichneten Filmemacher – unter anderem in Cannes 2018 Gewinner der Goldenen Palme mit seinem letzten Film „Shoplifters“ – nicht immer um die klassische biologische Familie. Schon in „Nobody Knows“, jenem überragenden Film, mit dem er 2004 seinen internationalen Durchbruch feierte, wählte er eine ungewöhnliche Perspektive, indem er vier von ihrer alleinerziehenden Mutter verlassene Kinder beobachtet, die auf sich selbst gestellt auch wieder wie eine Familie funktionieren. In „Still Walking“ widmet er sich 2008 einem Todesfall in einer Familie und verknüpft damit die Familie mit dem Thema seiner ersten Filme – dem Tod. „Like Father, like Son“ erkundet 2013 Fragen nach dem Unterschied zwischen biologischer und nicht-biologischer Elternschaft.
In den letzten Jahren verhandelte Kore-eda mit den Filmen „Unsere kleine Schwester“ (2015) und „After the Storm“ (2016) das Thema Familie unter weiteren Vorzeichen. Mit seinem großen Erfolg „Shoplifters“ widmet er sich erstmals einer rein sozialen Familie: eine Gruppe von Ladendieben hat sich zusammengefunden und gibt sich vor Behörden als biologische Familie aus. Auch in seinem neuen Film „Broker“ blickt der Regisseur auf die Familie und überlegt, was und wie sie sein kann: Im strömenden Regen geht die junge Mutter So-young mit wackeligen Knien eine steile Straße bis hinauf zu einer Kirche. Dort legt sie ein Bündel auf den überdachten Boden – vor, nicht in die Babyklappe der Kirche. Zwei Frauen beobachten sie von einem Auto aus. Die eine nimmt das Baby vom Boden auf und legt es in die Klappe, die andere verfolgt die Frau. Im Inneren der Kirche nehmen ein älterer und ein jüngerer Mann das Baby in Empfang. Sie löschen das Video der Überwachungskamera und fahren mit dem Baby weg. Während die beiden Frauen im Auto die beiden Männer beobachten, versucht die junge Mutter am nächsten Tag ihr Baby zurückzuholen – doch in der Kirche weiß man nichts von einem in der Klappe abgegebenen Kind.
Nach diesem verwirrenden Intro werden sich die Wege aller Beteiligten schon bald wieder kreuzen.
In „Broker“ gibt es keine einzige „normale“ Familie. Eine biologische Familie, die – gut oder schlecht – zusammenlebt, existiert in Kore-edas Film nicht. Stattdessen gibt es Menschen, die ihre Kinder loswerden wollen. Es gibt Menschen, die gerne Kinder hätten. Es gibt Menschen, die anderer Leute Kinder klauen und an Menschen verkaufen, die keine Kinder bekommen können. Es gibt Alleinerziehende. Es gibt Waisenkinder, die adoptiert werden – oder vergeblich darauf warten. Es gibt Frauen und Männer, die Kinder als Prostituierte verkaufen. Und mitten drin ein Baby: die Einen suchen es, die Anderen finden es; die Einen wollen es verkaufen, die Anderen wollen es kaufen. Das klingt alles traurig und schrecklich und grausam. Doch Kore-eda erzählt diese ganzen Verwicklungen ohne jegliches Klischee als humanistische Komödie. Man könnte glauben, das sei zynisch. Das Gegenteil ist der Fall. Mit so viel Herzenswärme werden nur selten die Protagonist:innen in Filmen überschüttet wie bei Hirokazu Kore-eda.
(Christian Meyer-Pröpstl)
Der Meister des Filmplakats
Renato Casaro ist tot – Nachruf 10/25
Schritt für Schritt zum Schnitt
25. Edimotion-Festival für Filmschnitt und Montagekunst in Köln – Festival 10/25
Schnappatmung von rechts
Wenn Filme Haltung zeigen – Vorspann 10/25
Stimmen für Veränderung
„How to Build a Library“ im Filmforum – Foyer 09/25
Eine sympathische Bruderkomödie
„Ganzer halber Bruder“ im Cinedom – Foyer 09/25
Wo Grenzen verschwinden und Geister sprechen
Das Afrika Film Festival Köln 2025 – Festival 09/25
Weinende Wände
Das Filmtheater als Begegnungs- und Spielstätte – Vorspann 09/25
„Es ist vertraut, aber dennoch spannend“
Schauspielerin Barbara Auer über „Miroirs No. 3“ – Roter Teppich 09/25
„Das Leben ist absurd, nicht der Film“
Regisseur Elmar Imanov über „Der Kuss des Grashüpfers“ – Gespräch zum Film 08/25
Jung-Bäuerinnen bei der Arbeit
„Milch ins Feuer“ im Odeon – Foyer 08/25
Gar nicht mal so stumm
Die Internationalen Stummfilmtage in Bonn 2025 – Festival 08/25
Drama, Baby?
Das Arthouse und der Schenkelklopfer – Vorspann 08/25
Sommergefühle
Leichte Kino-Kost im Juli – Vorspann 07/25
Im Abschiebegefängnis
„An Hour From the Middle of Nowhere“ im Filmhaus – Foyer 06/25
Fortsetzung folgt nicht
Serielles Erzählen in Arthouse und Mainstream – Vorspann 06/25
Wohnen im Film
Die Reihe Filmgeschichten mit „Träumen von Räumen“ im Filmforum NRW – Filmreihe 05/25
Filmischer Feminismus
Das IFFF 2025 in Köln – Festival 04/25
Der Filmfrühling ist angebrochen
Die erste Jahreshälfte startet mit bedeutenden Filmfestivals – Vorspann 04/25
Über die Todesangst
„Sterben ohne Gott“ im Filmhaus – Foyer 03/25
Alles für die Musik
Publikumspremiere von „Köln 75“ im Cinenova – Foyer 03/25
Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25