Für viele ist sie aus Kindheitstagen bekannt – „Die kleine Hexe“ aus dem gleichnamigen Kinderbuch von Otfried Preußler aus dem Jahr 1957. Zwar ist er inzwischen tot, seine Hexe jedoch lebt. Als sie und Rabe Abraxas auf die Bühne im Jahr 2019 poltern, lachen die Kinder. Aber nicht über sie, sondern mit ihr. Denn die kleine Hexe (Eva Marianne Kraiss) ist alles andere als perfekt. Ihre Imperfektion ist wie verhext. Aber gerade das macht sie sympathisch. „Ich mag sie, weil sie lustig ist“, sagt ein Junge. Ständig verhext sie sich. Alsbald hagelt es Strohhalme und Nudeln. Zum Leid ihres Freundes, dem sprechenden Raben Abraxas (Anne Scherliess), der mal einen nasalen Ost-Dialekt hat, dann Ausdrücke wie „Abraxas Pups, Stinkbombe Pups Popo“ von sich gibt.
Mit sage und schreibe 127 Jahren ist die kleine Hexe noch immer zu jung für die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg. Ein bisschen ist das so, wenn man im Alter von 30 Jahren noch immer nach seinem Ausweis im Supermarkt gefragt wird, bei dem Versuch Alkohol zu kaufen.
Von den dort lebenden Hexen, die zum Beispiel „Rumpumpel“ heißen und an nervige Castingshow-Moderatorinnen erinnern, wird sie als Außenseiterin gemobbt und verspottet. Schließlich wird ihr bei dem Versuch, die Hexenparty auf jenem Blocksberg zu crashen, auch noch der Besen entwendet. Anne Scherliess rutscht in dem Zweimann-Stück von Charlotte Schneider auf sagenhafte Weise in alle möglichen Nebenrollen – mal als Rabe Abraxas, dann lispelnd als Wetterhexe Rumpumpel.
Fortan übt die kleine Hexe mit ihrem Freund Abraxas fleißig das Hexen. Sie muss sich entscheiden: Möchte sie eine gute oder böse Hexe werden? So muss sie sich verschiedenen Herausforderungen stellen: Sie lernt auf dem Weg dorthin etwa eine arme Frau mit Papierblumen kennen, der sie beim Verkauf jener assistiert, sowie einen Maronimann. Sie hilft den Menschen und findet neue Freunde – sofern sie nett sind.
Kinder sind empathischer als Erwachsene. Und das wird im Horizont-Theater als etwas Positives erachtet. Das junge Publikum wird aktiv einbezogen. So versteckt sich Abraxas, der der kleinen Hexe am Tag ihrer großen Prüfung beistehen möchte. Doch Hexe Rumpumpel riecht den Braten. Als sie fragt, ob es einen Raben im Raum gäbe, befindet sich das junge Publikum im Zwiespalt: Werden die Kinder ihn verpfeifen? Ein Junge, der zunächst zu Verrat neigt, zieht es später zurück: „Da ist doch kein Rabe.“
Schließlich verwandelt sich Abraxas in einen Hund, während die Hexe versucht, die Prüfung zu bestehen. Am Ende gelingt es den beiden, die bösen Hexen wegzuhexen – singen sie doch nach alter Hexentradition „Hokus Pokus Hexenschuss, alle Hexen weggehext“ glücklich vereint am „Feuer der alten Hexenliteratur“ das Lied zur Walpurgisnacht.
Das Stück „Die kleine Hexe“ im Horizont-Theater zeigt großen und kleinen Leuten, dass man sehr wohl etwas erreichen kann, egal wie alt oder jung man ist – auch wenn man ein Außenseiter ist – solange man nur hartnäckig seinen eigenen Weg beschreitet.
„Die kleine Hexe“ | R: Charlotte Schneider | Sa 4.5., So 19.5., So 26.5. je 14 Uhr | Horizont Theater | 0221 13 16 04
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