Grün könnte die Farbe der Hoffnung sein – wenn nicht gleich alle Darsteller Hemd und Hose in diesem Farbton trügen. Es ist eine Uniform, ausgeführt in einem privaten Wohnzimmer mit Sofa, Teppich, Teetisch und einem Plattenspieler. In Zeitlupe bewegt sich Gwendolin Lamping herein, tastend, setzt sich behutsam in eine Ecke des Sofas und verharrt dort schweigend; erst später wird sie leise singen und Mundharmonika spielen. Eine Frau, die in ihre Welt eingesponnen ist. Theresa Hupp als ihr Alter Ego dagegen bewegt sich leichtfüßig durch den Raum, setzt sich auf den Boden, streckt und beugt die Beine, schiebt sich unter das Sofa, kommt hervor. In den Bewegungen lässt sich aber auch eine Dissoziation des Körperlichen erkennen. Gliedmaßen scheinen sich selbstständig zu machen, greifen in den Raum aus, ohne unter der Kontrolle des Bewusstseins zu stehen. Und wenn Theresa Hupp immer wieder den Teppich oder die Schallplatten ordnet, liegt auch etwas Zwanghaftes in ihren Aktionen.
„Suitable Establishment“ der Gruppe LampingHuppSaunders ist inspiriert von der Arbeit mit Demenzkranken. Der Abend zeigt die fließenden Übergänge zwischen Wiederholung, Zwanghaftigkeit und Krankheit. Oder auch Absurdität und Kunst, wenn eine Banane anstatt im Mund auf dem Plattenteller landet. Nur William Saunders am Mischpult, der sich nur gelegentlich ins Spielgeschehen mischt, scheint einigermaßen unbeeindruckt. Während die drei Darsteller nahezu wortlos agieren, werden aus dem Off Passagen aus Gertrude Steins Text „Rooms“ eingespielt. Man kann dem Text kaum folgen, immerhin lassen sich Keywords erkennen, die auf die Situation passen. Der Bezug zum Text bleibt allerdings etwas willkürlich; und auch die allzu körperlich-naturalistischen Annäherungen ans Demenzphänomen wirken etwas vordergründig. Doch die dramaturgische Struktur des Abends mit seinen Loops, Verzögerungen und Wiederholungen, der Wort- und Diskursverzicht und schließlich das Vertrauen des Trios in die Aussagekraft der Bewegung macht den Abend dann doch zu einem Erlebnis.
„Suitable Establishment“ | R: LampingHuppSanders | 26.-29.5.16 20 Uhr | Studiobühne | 0221 470 4513
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
„Was kann eine neue Männlichkeit sein?“
Nicola Schubert über ihr Stück „To #allmen“ an Groß St. Martin – Premiere 09/25
„Andere Realitäten schaffen“
Dramaturg Tim Mrosek über „Kaputt“ am Comedia Theater – Premiere 12/24
„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23
„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23
Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23
„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23
Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23
Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23
Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23
Mit Ulrike Meinhof reden
„lieber wütend als depressed“ des Parasites Ensemble – Auftritt 10/22
„Ein Konzeptalbum, das sich mit Köln auseinandersetzt“
Daniel Schüßler über„Shit(t)y Vol.1.“ in der Tanzfaktur – Premiere 09/22
Wurzeln, Muskeln, queere Körper
„Mandragora“ in der Tanzfaktur – Auftritt 08/22
Schreib dich frei!
„Botin“ in der Alten Versteigerungshalle auf dem Großmarkt – Theater am Rhein 09/25
Wohin, David?
„Mein Onkel David“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 08/25
Vergessenes Weltwunder
„Mein Freund, der Baum, sieht rot“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 07/25
Unter blauäugigen Hunden
„Traudl Junge – Im Schatten des Bösen“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 06/25
Fragen als Gemeinsamkeit
„Hiob“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 05/25
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
Zwischen den Fronten
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Der Übermann
„Boys don‘t cry“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 04/25
Die Grenzen des Theaters
„Was ihr wollt“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25