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Europaweiter Anziehungspunkt: kosmopolitisch unterwegs auf der Domplatte
Foto: Mona Schulzek

„Das Parlament ist eine Palaver-Hütte mit viel Personal.“

30. April 2014

Werner Rügemer über die EU-Politik und Lobbyismus – Thema 05/14 Europa

choices: Herr Dr. Rügemer, ist die EU mehr als die Addition ihrer internationalen Interessen?
Dr. Werner Rügemer:
Die EU ist etwas anderes. Ihre Exekutive, die EU-Kommission, ist eine autokratische Regierung, die nicht kontrolliert wird. Was sie durchsetzt, sind auch keine nationalen Interessen, sondern die Interessen von Banken und Großkonzernen. Unterstützt wird sie von der Brüsseler Bürokratie, die wiederum von Lobbyisten der Finanzwirtschaft und Großkonzernen beraten wird. Die Ausgaben für diese externen Berater sind übrigens enorm.

Werden die eigentlichen Entscheidungen nicht im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs getroffen?

​Dr. Werner Rügemer
Foto: privat
Dr. Werner Rügemer ist Publizist und Lehrbeauftragter der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln. Er ist Mitbegründer der Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand (gib) und Initiator eines Aufrufs gegen das Freihandelsabkommen TTIP aus Arbeitnehmersicht.

Die werden aber von der Euro-Gruppe vorbereitet, deren langjähriger Vorsitzender der ehemalige Luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker war. Juncker war und ist ein Künstler der Hinterzimmerpolitik. Der Euro-Gruppe arbeiten wiederum die Brüsseler Beamten zu, die von Banken und Konzernen beraten werden.

Dann ist das Europaparlament nur ein demokratisches Feigenblatt?

Das Parlament ist eine gestutzte Palaver-Hütte mit viel Personal, vielen Annehmlichkeiten, zwei Sitzungsorten in Strasbourg und Brüssel, aber so gut wie keinem Einfluss. Das Europaparlament wählt weder einen Regierungschef noch eine Regierung. Es gibt vielleicht einige Abgeordnete von den Grünen und den Linken, die das gerne ändern würden, aber die Mehrheitsverhältnisse stehen diesen Bemühungen entgegen. Der einzige Weg, der offen steht, um hieran was zu ändern, sind die nationalen Parlamente.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen USA und EU?

Ein mahnendes Beispiel ist das 1994 abgeschlossene Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, zwischen Kanada, USA und Mexiko. Es versprach zweierlei: mehr Handel und mehr Arbeitsplätze. Der Handel verdreifachte sich, aber Arbeitsplätze wurden nicht geschaffen. Im Gegenteil, die USA und Mexiko verloren jeweils eine Million Arbeitsplätze.

Kann man das irgendwie auf eine Freihandelszone zwischen USA und Europa hochrechnen?

Konkrete Zahlen gibt es nicht. Das Abkommen würde aber amerikanische Investitionen in Europa und europäische Investitionen in den USA erleichtern. Unternehmen aufkaufen, sie verschmelzen, sie zerschlagen, das soll alles einfacher, risikoärmer und profitabler werden. Das ist heute auch alles schon möglich, aber im Rahmen des TTIP würden die privaten Schiedsgerichte installiert. Des Weiteren würde das Abkommen weitestgehend gewerkschaftsfreie Sonderwirtschaftszonen schaffen. Der Boden hierfür wurde mit der massiven Sparpolitik der Troika in Griechenland bereits bereitet.

Warum braucht es dann das Abkommen?

Für Großkonzerne bringt gerade die privatisierte Paralleljustiz mit Urteilen ohne Öffentlichkeit und Widerspruchsrecht große Vorteile. Vattenfall will vor einem ähnlichen Schiedsgericht in Washington Schadenersatz für zwei Atomkraftwerke von der Bundesrepublik erstreiten. Dabei wurden die durch eine politische Entscheidung stillgelegt.

INTERVIEW: BERNHARD KREBS

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